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  • Johannes Bauer: Peter Gülke, Studien zu Beethoven

    Peter Gülke ​ «... immer das Ganze vor Augen» Studien zu Beethoven (Metzler/Bärenreiter, Stuttgart/Weimar 2000) Gleich zu Beginn die übliche Schlussfrage: Was ist das Besondere an Gülkes Beethoven-Essays? Ist es ihre philologische Aufmerksamkeit? Sie findet sich zur Genüge auch bei anderen Autoren. Ist es die klärende Kraft des Begriffs? Auf sie setzen ebenfalls zahllose Beethoven-Kommentare. Liegt das Besondere in der Vermeidung einer Auslegungspraxis, deren Größenmaßstab die Sache leicht aus den Augen verliert? Liegt es in der Sensibilität der Deutung, wie subtil Beethovens Kompositionen Buchstabe und Geist miteinander vermitteln? Doch auch das sind Floskeln, solange man nicht selbst erfahren hat, wie Gülke argumentiert, wie er formuliert. Über Beethoven zu sprechen ist leicht. Kaum ein Komponist, der wie er die Leitbahn seines kompositorischen Denkens offen gelegt hätte, offen legen wollte: Musik als ethisch inspirierter Diskurs. Über Beethoven zu sprechen ist aber zugleich unendlich schwer. Dann nämlich, wenn man nicht bei den Jubelbreschen und Bändigungsszenarien seiner Musik stehen bleibt. Bei jenen Gemeinplätzen der Einfühlung also, denen sich in Gülkes Buch jede Seite verweigert. Keineswegs übersieht Gülke die Strategie in Beethovens dramatischer Eloquenz: die Strategie, einkomponierte Widerstände dem Formprozess als Sinnrendite zuarbeiten zu lassen. Aber er vergisst darüber nicht die «Gestehungskosten»: die Asche des triumphierenden Phönix, der als Sturmvogel der Revolution in Beethovens Symphonien unentwegt neu und in vielfältigen Formen ersteht. So folgt Gülke Beethovens Motivfiligran nicht nur als einem Gewebe der Bündnisse zwischen Detail und Ganzem, zwischen finaler Gewichtung und sittlich-tätiger Emanzipation. Er folgt ihm auch als einem Gewebe der Trennungen und Unvereinbarkeiten, ja der «Gleichgewichtsstörungen», gegen die selbst das Satzkontinuum nichts mehr auszurichten vermag. Solche Erkundungen sind wegen der Präzisierung ihrer Befunde auf Beethovens Gesamtwerk verwiesen. Deshalb gilt das Beethoven-Zitat, mit dem Gülke seine Essays überschreibt, auch für ihn selbst. Auch Gülke hat «immer das Ganze vor Augen». Ob er anlässlich der Skizzen zur Fünften Symphonie Einblicke in Beethovens Laboratorium der Materialprüfung gibt; ob er auf Beethovens neuartige, öffentlichkeitswirksame Kommunikationsformen zu sprechen kommt, auf die Klangrede an das große Publikum und damit auf die Strukturveränderungen im Verhältnis von Orchesterapparat und motivisch-thematischer Organisation; ob er die Desillusionierung der Zeit und der Satzhomogenität im Allegretto der Achten Symphonie thematisiert: Immer geht es Gülke um das Verständnis von Beethovens intellektuellem Habitus und dessen ästhetischer Präsenz. Somit um die bisweilen rigoros auskomponierten Charaktere eines hellwachen Citoyen, dem vornehmlich eines zuwider ist: Unmündig und in verblendeter Partikularität hinter den Belangen und Forderungen des Zeitalters zurückzubleiben. Und natürlich geht es Gülke um die Frage, welchem Übermaß an Reflexion sich Beethoven dabei zu stellen hatte; darin durchaus Hegel vergleichbar. Hegel und Beethoven. Wie sich Beethovens kompositorisches Denken zum philosophischen seiner Zeit verhält, entschlüsselt Gülke aus der Eigenlogik der Musik, ohne die Parallelen durch voreilige Gleichheitszeichen zu neutralisieren. 1969 liest sich bereits die Motivkette eines der Essay-Titel wie ein philosophisches Begriffskompendium: Introduktion als Widerspruch im System. Zur Dialektik von Thema und Prozessualität heißt es da. Programmatisch gibt Gülke vor, was der Aufsatz meisterhaft präzisiert: das Verlockende und zu Bändigende der Freiräume und Unwägbarkeiten in Beethovens dichter, ja geradezu logisch gefügter ‹Phänomenologie des musikalischen Geistes›. Freiräume und Unwägbarkeiten bis hin zur Schwierigkeit des Anfangs und Anfangens, die auch Hegel umtreibt. Wie kann eine Philosophie beginnen, die auf die Lückenlosigkeit des Systems setzt? Wie kann eine Musik beginnen, für die die Tilgung unausgewiesener, das heißt zunächst lediglich gesetzter Momente in einer durchorganisierten Werktotalität entscheidend wird? Unter diesem Aspekt interessiert Gülke an Beethovens Kompositionen, wie in ihnen noch geringste Zufälligkeiten mit dem Anschein «bloßer Versicherungen» zum Problem werden; zum Problem vor allem für den diskursiven Bereich der Musik. Und doch, auch wenn Gülke vom «komponierenden Hegelianer Beethoven» spricht: Beethovens Musik wird für Gülke nie zur Manövriermasse philosophischer Thesen. Stattdessen macht der Autor weit mehr die Unterschiede zwischen beiden Diskursgattungen produktiv. Die Spannung also zwischen der kausalen, dem Allgemeinheitssog des Begriffs verpflichteten Logik der Philosophie und der assoziativ verschatteten Logik der Musik mit ihrer Tendenz zum Einmaligen. Diese Spannung treibt Gülke in die Musik selbst hinein, indem er Beethovens Anstrengung verfolgt, wie denn das Besondere des musikalischen Ausdrucks mit einem verbindlichen Formkanon zu koordinieren sei. Dass sich Gülke bewusst ist, wie sehr gesellschaftliche Widersprüche als solche der Form wiederkehren, liegt auf der Hand. Einer Form allerdings, die immer schon mehr als nur Form ist. Mit Gülke begreift man jedenfalls besser, wie sich die «Entfernung vom revolutionären Einklang der Interessen des Einzelnen und der Gesellschaft» in den Konflikten zwischen «Thema und Form» niederschlägt. Gülkes Buch schüchtert nicht ein. Im Gegenteil: es ist spannend zu lesen. Spannend, weil es der Musik Beethovens so inspiriert und dicht am Material folgt, dass sich das übliche Dilemma musikalischer Erläuterungen gar nicht erst stellt: das Dilemma zwischen gedanklicher Deutungsbeliebigkeit und analysetechnischer Verbissenheit. Stets orientiert sich Gülke auf spekulativem Terrain am Kompass des notierten Werks. Nur ist der immer schon nach dem Meridian des komponierten Geistes ausgerichtet. – Keinerlei Einwände demnach? Auch nicht im Sinn jener mittlerweile zum guten Ton des Rezensionsgeschäfts gehörenden Fragen nach dem Blinden einer Epoche? Nach dem also, was Beethovens Werk nicht erfahrbar ist, wogegen es taub bleibt? Eine Antwort auf solche Fragen gibt Gülke mit der Kategorie des Ernstfalls, die eine Konstante beethovenschen Komponierens ausmacht. Dass Beethoven musikgeschichtlich die «Phalanx der Humorlosen eröffnet», wie Gülke betont, bedeutet nichts anderes als den vom ästhetischen Erkenntnischarakter her verlustreichen Ausschluss einer spielerischen, ironischen, spirituellen Heiterkeit aus der Musik. Als könnte und dürfte der aus den Fugen geratene Weltlauf kompositorisch nur noch unter dem Blickwinkel ethischer Opposition oder mit tragischem Heroismus reflektiert werden: im Vertrauen auf die Ressourcen des Negativen, die die Fron der motivisch-thematischen Arbeit dem absoluten Geist der Musik als Idee von Wahrheit und Freiheit zubringen soll. Gülke macht daher gerade im heroischen Regelkreis beethovenschen Komponierens Lücken ausfindig und verstehbar. Ungedeckte Gedanken in Form jener Peripherien des Tastenden, des Unbestimmten und Ungewissen, die zunehmend ins Innere der Musik dringen. Dabei setzt Gülke das analytische Stethoskop hautnah am Pulsieren der Satzenergie an. Jeder Takt wird abgehört, um die Impulse zu orten, die die Vermittlungsdichte lockern – bis hin zum Ausmaß oasenartiger Abweichungen, in denen die Musik Ökonomie und Stringenz unterläuft und ihren reflexiven Kontrapunkt mitkomponiert. Oasen, in denen die robespierre- und napoleonhafte Physiognomie Beethovens auf Hölderlin verwandte Züge hin durchlässig wird. Oasen zudem, in denen sich das Diktatorische beethovenscher Partituren auf eine Sprache jenseits von Arbeitsethos und Gattungspathos hin öffnet. Nicht selten wird dabei das Werk selbst zum offenen Ohr, dem – wie in der Pastorale – bislang unerhörte Töne vernehmbar werden: die von Vögeln gar, die ‹in die Musik hineinzwitschern›. Und Gülke lässt es sich nicht nehmen, hier von einer «Deckung von Natur und Kunst» zu sprechen, einer Wunschlandschaft mit der «stillen Glückseligkeit Siegfrieds, der plötzlich die Sprache der Vögel versteht». Und etwas wie siegfriedhaftes Verstehen fällt auch Gülkes Lesern zu. Ein Verstehen jenes Naturgrunds in Beethovens Musik, den die Sublimierungsarmatur seiner Kompositionen nicht verdrängen kann. Mag das beethovensche Skalpell der Konstruktion oft genug radikale Schnitte durch den Organismus der Sätze und Werke legen; mag dieses Skalpell immer wieder äußerst manipulierbare Motiv-Kalküle aus dem tonalen Sprachrepertoire herausschneiden, um sie der Formtotale umso müheloser implantieren zu können: Gülke zeigt, dass Beethovens Diskurs ohne die Reflexion zivilisatorischer Gewalt- und Opferarsenale nicht zu denken ist. Der Widerstand, den die Themen mitunter ihrer Verarbeitung entgegensetzen, ist ein Beispiel dafür. Ein anderes wäre die Hinterfragung selbst noch der emanzipatorischen Dramaturgie der Symphonien durch die Musik: Als könnte die Rhetorik der Postulate und Appelle allzu leicht mit Überredung, mit Zwang verwechselt werden. So lesen sich Gülkes Untersuchungen auch wie eine Karte der gegenläufigen Wege und exzentrischen Bahnen in Beethovens kompositorischem Labyrinth. Kann man von einem Beethoven-Buch mehr verlangen? In einer Zeit zumal, in der die gängige Konzertpraxis zur Liturgie der Gewohnheit verkommt? Zum Goutieren von Meisterwerken nach dem Kult von Devotionalien, die eher devot als hellhörig machen? Musste für Kafka ein Buch «die Axt sein für das gefrorene Meer in uns», dann ist Gülkes Buch eines, das das Eis tradierter Rezeptionsklischees aufsprengt. Auch darin im Pakt mit Beethoven und dessen Spätwerk, das die Winterwüste restaurativer Erstarrung zum Schmelzen zu bringen hoffte. Und mit ihr die Seelen-Arktis in den Herzen des Publikums – über alle klassischen Normen hinaus. (Johannes Bauer) ​

  • Johannes Bauer, Philosoph

    Johannes Bauer 11. Nov. 2020 Kleiner Steckbrief (in eigener Sache) Johannes Bauer 27. Nov. 2018 Philosophie © Johannes Bauer, Leibniz (2012), Acryl, Silberstift auf Papier

  • Johannes Bauer, Traduttore traditore. Kulturtechniken der Übertragung

    Traduttore traditore? Übertragen, umwandeln, entwerfen Sokrates schreibt Platon, Buch der Weissagungen © Ms. Ashmole 304, fol. 31 v., Oxford, Bodleian Library ​Act so that there is no use in a centre. Gertrude Stein „Das Schwierige liegt in der Sprache. Unsere abendländischen Sprachen sind in je ver­schiedener Weise Sprachen des metaphysischen Denkens. Ob das Wesen der abend­ländischen Sprachen in sich nur metaphysisch und darum endgültig durch die Onto-Theo-Logik geprägt ist, oder ob diese Sprachen andere Möglichkeiten des Sagens und d. h. zugleich des sagenden Nichtsagens gewähren, muß offen bleiben. Oft genug hat sich uns [...] das Schwierige gezeigt, dem das denkende Sagen ausgesetzt bleibt. Das kleine Wort ‚ist’, das überall in unserer Sprache spricht und vom Sein sagt, auch dort, wo es nicht ei­gens hervortritt, enthält – vom å¢óôéí âà`ò åéíàé des Parmenides an bis zum ‚ist’ des spe­kulativen Satzes bei Hegel und bis zur Auflösung des ‚ist’ in eine Setzung des Willens zur Macht bei Nietzsche – das ganze Geschick des Seins.“(1) Was Heidegger an der ontologi­schen Bahnung der Sprache als der ontologischen Bahnung von Welt problematisiert, be­nennt an der Übertragungsgravur des Begriffs zugleich die Unmöglichkeit, das „Schwie­rige, das aus der Sprache kommt“(2), mittels einer Verordnung neuer Terminologien aufhe­ben zu können. Einzig indem Philosophie sich strikt immanent auf die Sprache einläßt und den Begriff gegen den Begriff denkt, kann die mühsame Zermürbungs- und Umformungs­arbeit des abendländischen metaphysischen Diskurses in Gang gehalten werden: etwa durch genealogische Lesarten und etymologische Begriffsmodulationen. Zwanzig Jahre nach Heideggers Blick auf den Bann und die Bahnung des Existentialurteils wird Gilles Deleuze eine mögliche Durchquerung der Sprache über die Subversionsfigur steuern: „Mit ET denken statt EST“(3), um das Identitätsverlangen und die Hierarchisierungssucht des Be­griffs dem Eigenleben der Differenz zu öffnen. Solche Umbaustrategien und perspektivischen Wechsel werden erst möglich, wenn der Absolutheitsanspruch der Übertragungsinstanz Sprache ermattet. Mag auch das Außer-Atem-Kommen und das erneute Atemholen des Begriffs die Philosophie von Beginn an begleiten: Die pneumatische Geschichte des Geistes verläuft labyrinthisch, mit variablen Wirkungsgraden und gesäumt von Dopplungen aus Sprachtriumph und Sprach­skepsis. So wird Hegels Feier der Allgemeinheit des Begriffs als Apotropaion gegen das Gerede der Meinung und als Garant des Absoluten von Schillers Anstrengung kontra­punktiert, gerade den Allgemeinheitssog der Worte überlisten zu müssen. Daß die Worte „abstrakte Zeichen für Arten und Gattungen“, aber „niemals für Individuen“ sind; daß sich die „Sache und ihr Wortausdruck [...] bloß zufällig und willkürlich [...] miteinander verbin­den“, erlaubt der Sprache ihrer ästhetischen Konsequenz nach „kein anderes Mittel“, „um das Besondere darzustellen, als die künstliche Zusammensetzung des Allgemeinen“. Diese Last auf seiten des „Genius der Sprache“ ist es, die den Dichter zwingt, die „Ten­denz der Sprache zum Allgemeinen durch die Größe seiner Kunst [zu] überwinden und den Stoff (Worte und ihre Flexions- und Konstruktionsgesetze) durch die Form (nämlich die Anwendung derselben) [zu] besiegen “.(4) Die Abweichung zwischen der philosophisch und der ästhetisch akzentuierten Re­flexion zur Übertragungsmacht der Sprache, ihrer Welterschließung und Weltverschlie­ßung, wird sich im Lauf des 19. Jahrhunderts zu unterschiedlichen Schnitt-Tiefen ausdiffe­renzieren. Wie tief geschnitten wird, mißt sich daran, ob und mit welcher Intensität das Skalpell der Transformation in die Nerven der Syntax eindringt. Und daß schließlich unter dem Einfluß poetischer Sprachverwandlung auch die philosophische Analyse ins Ästheti­sche hinüberzuspielen beginnt, weitet das Sensorium für die interne Übertragung und Durchlässigkeit der Diskurse im Formenkreis des Denkens: von der Philosophie über die Kunst bis zu den Naturwissenschaften und ihren technischen Manifestationen. Ein solcher Methodentransfer im Echoraum der kollektiven Episteme verdichtet sich in Jacques Derri­das Verfahren, Texte wie Schleifen, wie Loops der Sprache und der Sprachen so lange zu wiederholen und mit Verzögerungen, Widerhalleffekten, Schnitten zu versetzen, bis sie in der Mehrspurigkeit der Kontexte unbekannte und verdrängte Stimmen hörbar werden las­sen. Arbeiten am Problem der Übertragung. Für die Geschichte der Philosophie be­deutet das eine Geschichte der Sondierungen. Und eine Geschichte der Dämpfung des Anthropomorphismus im Überschwang weltokkupierender Metaphern. Die Projektionsra­sanz der Sprache durch Kompetenzklärung von Erkenntnisressorts einzudämmen, ist ein Movens kritischer Rationalität. Erst spät – vom heimlichen Unterstrom der etablierten Philosophie einmal abgesehen – gerät das Instrument dieser Sondierung, die Sprache selbst, auf den Prüfstand eines gleichfalls sprachlichen Urteils. So läßt Nietzsche in den frühen 1870er Jahren das Wahrheitspathos des Begriffs vom ästhetischen Impuls her po­rös werden. Worte, Sprache: „Ein Nervenreiz, zuerst übertragen in ein Bild! Erste Meta­pher. Das Bild wird nachgeformt in einem Laut! Zweite Metapher. Und jedes Mal vollstän­diges Überspringen der Sphäre, mitten hinein in eine ganz andre und neue“. „Wahrheit“ gilt in diesem Rapport der Übertragungen als ein „bewegliches Heer von Metaphern, Me­tonymien, Anthropomorphismen“, kurz: als eine „Summe von menschlichen Relationen, die, poetisch und rhetorisch gesteigert, übertragen , geschmückt wurden und die nach lan­gem Gebrauche einem Volke fest, canonisch und verbindlich dünken: die Wahrheiten sind Illusionen, von denen man vergessen hat, daß sie welche sind“.(5) Nietzsches Problemati­sierung „willkürlicher Übertragungen“ bündelt zahlreiche Motive früherer und späterer Sprachkritik: die menschliche Projektionssucht, die Selbsttäuschung beim Einpassen der Welt in hypotaktische Sinngitter, die Ungenauigkeit der makroskopischen Ebene im „ta­stenden Spiel auf dem Rücken der Dinge“, den gleichmacherischen Zug begrifflicher Abstraktion aus Sicherheits- und Berechenbarkeitsgründen, die Illusion eines wider­spruchsfreien Wissenschaftsideals. Vor allem Nietzsches Motiv, die „Metaphern der Dinge“ als die „Dinge selbst“ zu nehmen, benennt einen Fehlschluß der Übertragung, dessen Kritik die Moderne begleiten wird: „Werfen wir einen Blick auf die Grammatik ethi­scher Ausdrücke und solcher Ausdrücke wie ‚Gott’, ‚Seele’, ‚Geist’, ‚konkret’, ‚abstrakt’. Eine der Hauptschwierigkeiten ist, daß wir meinen, ein Substantiv entspreche einem Ding. [...] Die Wörter ‚Seele’ und ‚Geist’ hat man so verwendet, als stünden sie für ein Ding, ein gasförmiges Ding. ‚Was ist die Seele?’ ist eine irreführende Frage, ebenso wie Fragen über die Wörter ‚konkret’ und ‚abstrakt’, die eine Ähnlichkeit mit ‚fest’ und ‚gasförmig’ sug­gerieren, statt daß man an einen Stuhl einerseits und die Erlaubnis, sich auf den Stuhl zu setzen, andererseits denkt.“(6) Erst vom Ingenium der Kunst und von einer poetischen Unterminierung der kon­ventionellen symbolischen Ordnung her gewinnt Sprachkritik für Nietzsche an Zukunft. Erst der „freigewordene Intellekt“(7) kann sich die Frage, wie nach dem Zerfall der Dreifaltig­keit von Gott, Sprache und Wahrheit weiterzusprechen sei, mit der Verwandlungskraft des schöpferischen Entwurfs beantworten. Eine neue Sprache entsteht, wenn die Unterstel­lungen der alten, zumal die des Begriffs in seiner philosophischen Spielart, luzid werden. Oder wenn sich die marktcodierten Übertragungsgebote zersetzen, die die Sprache wa­renästhetisch kolonisieren und aufheizen, bis sie zur heißen Asche der Informationen und Spots zerfällt. Was Nietzsche der Ästhetik der „neuen Übertragungen “ zurechnet – ‚Zer­schlagen, Durcheinanderwerfen, ironisch wieder Zusammensetzen, das Fremdeste paa­ren und das Nächste trennen, das in verbotenen Metaphern und unerhörten Begriffsfü­gungen reden, das Zertrümmern und Verhöhnen der alten Begriffsschranken’(8) – liest sich wie ein Strukturkompendium moderner Kunst. Hat nicht Stéphane Mallarmé, der Zeitge­nosse Nietzsches, mit dem Verstoß gegen die syntaktisch gebundene Moral der Sprache als einer Sprache der Moral ein Werk gewagt, dessen „unerwartete Art des Sprechens [...] keinerlei Eloquenz, keine Erzählung, keine Maximen“ kennt, „niemals sich den vertrauten Formen überläßt“ und „frei ist von allen geläufigen Redewendungen“ der Konvention des „‚Allzumenschlichen’“?(9) Im Sinn einer Antwort auf Nietzsches „Ich fürchte, wir werden Gott nicht los, weil wir noch an die Grammatik glauben“?(10) Und zielen nicht hundert Jahre spä­ter Gilles Deleuze und Félix Guattari auf ein Verständnis der Philosophie, die sich jetzt als eine „Kunst der Bildung, Erfindung, Herstellung von Begriffen“ versteht? Nietzsche, für den Sprache und Sprechen in ihrer „andeutenden Übertragung“ und „nachstammelnden Übersetzung“ zu einem einzigen Tropus werden, treibt Kants „Als ob“ in die durch gut zweitausend Jahre Metaphysikgeschichte verbürgten Sicherheitsgaran­tien des Begriffs. Jeder Text wird seitdem nach Art eines negativen Ornaments vom Sub­text seiner eigenen Fiktionalität grundiert. Wobei Nietzsches Sprechen in Metaphern über die Metapher selbst unentwegt um die Schwierigkeit kreist, ob und wie dieser Subtext ge­gen die Sprache zu denken wäre. „Das Unaussprechbare [...] gibt vielleicht den Hinter­grund, auf dem das, was ich aussprechen konnte, Bedeutung bekommt“, wird Wittgen­stein dieses Vexierspiel von Anwesenheit und Abwesenheit variieren.(12) Seit Nietzsche, Mauthner und Saussure geht Sprachkritik zudem Hand in Hand mit einer Sensibilisierung für das anthropomorphe Surplus begrifflicher Übertragung. Wenn der späte Heidegger für die Schreibweise plädiert, um mit der „kreuzweisen Durchstreichung“ die „fast unaus­rottbare Gewöhnung“ abzuwehren, „‚das Sein’ wie ein für sich stehendes und dann auf den Menschen erst bisweilen zukommendes Gegenüber vorzustellen“, visualisiert be­reits der Satzspiegel einen grafischen Einspruch gegen unzulässige Subjekt-Objekt-Übertragungen.(13) Und daß das Anschauungsverlangen von Intuition und Konkretion wenn überhaupt, dann nur einer makroskopischen Sicht der Dinge genüge, der außermathema­tische Diskurs der modernen Naturwissenschaft also permanent in Anführungszeichen zu schreiben sei, ist nicht erst der Quantenmechanik bewußt. Umwertungen I: Entropie Die Idee des aristotelischen Werkorganismus und seines Zusammenhangs zwischen Teil und Ganzem, dessen geringste Störung den Sinn kollabieren läßt, gab jahrhundertelang die Essenz einer Kunst vor, in der wie in Hegels Sicht der griechischen Skulptur jeder Punkt und jede Schicht signifikant und beseelt zu sein hatten. Auch wenn Übertragung etwas mit Umwandlung und Zustandsänderung, mit Redundanz- und Reibungsgrößen zu tun hat und damit, daß es strenggenommen keine Wiederholung gibt: insgeheim steckt in jedem Akt der Übertragung der Wunsch nach optimaler Effizienz, der Wunsch also, Daten und Kräfte ohne Informations- und Energieeinbußen 1:1 transferieren zu können. Wie sehr der Satz von der Erhaltung der Energie auch für die Geschichte des Denkens be­stimmend ist, belegt Hegels Idee von der einen Philosophie, die sich zur absoluten Idee ausdifferenziert, ohne daß die Dynamik des Geistes im Zirkulieren des Begriffs an Sub­stanz verlöre. Darüber hinaus bleibt der Satz von der Konstanz der Energie für die Meta­physik allein schon auf Grund ihres transhistorischen Bonus relevant. Erst mit dem Ende des 18. Jahrhunderts und Hölderlins Desillusionierung des philosophischen Urteils begin­nen geschichtsbewußte Verortungen eine Vernunft zu erden, die sich vormals jede histo­rische Kontextabhängigkeit verbeten hat. Mit Feuerbach, Marx und Nietzsche als Genea­logen der Wahrheit bis zu Derridas Präsenzkritik werden die Brüche und Leerstellen des platonisch inspirierten Geistes unübersehbar, zeitgleich zur physikalischen Thermodyna­mik, die als eine Theorie der Entropie die klassische von der modernen Naturwissenschaft scheidet. Seit Sadi Carnots Réflexions sur la puissance motrice du feu von 1824 und ihren im Rahmen der klassischen Mechanik nicht mehr faßbaren Folgerungen, eine Umwand­lungsgrenze von Wärme in Energie sei nicht zu überschreiten, weil Wärme zeitgerichtet von einem warmen zu einem weniger warmen Körper fließe, ein Teil der Energie als Ver­lustwärme also stets der mechanischen Arbeit verlorenginge; seit den Grundlagen des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik also zeigt die Kohärenz der Übertragung von Energien und Kräften Risse. Insbesondere nachdem Rudolf Clausius die Vorstellung ei­nes unzerstörbaren Wärmestoffs verworfen und den Begriff der Entropie als Ordnungs­größe für thermodynamische Zustände und ihre irreversiblen Prozesse eingeführt hatte. Als schließlich das Phänomen, daß die Gesamtentropie in einem geschlossenen System nie abnehmen kann, sondern bis zum Temperaturausgleich und zum Erliegen von Arbeit zunimmt, durch die Relation zwischen Entropie und Wahrscheinlichkeit in Ludwig Boltz­manns kinetischer Gastheorie von 1871 seine brisante mathematische Formulierung fand, bedeutete das die Rückführung der phänomenologischen Sicht von Energievorgängen auf den Materiestoff der Atome und deren regellose, nur probabilistisch erfaßbare Stoßbewe­gungen. Der Status größter Unordnung als größter Wahrscheinlichkeit eines Systems am Ende seiner unumkehrbaren Entwicklung hatte sich damit endgültig am Gesetz der gro­ßen Zahlen und des statistischen Gleichgewichts zu orientieren. Wie sehr dabei das Pa­radigma der Statistik im 19. Jahrhundert Leitcharakter annahm, belegt die Tatsache, daß sich Boltzmann von demographischen Untersuchungen zum Regelfall inspirieren ließ, ähnlich wie zuvor schon Maxwells Arbeiten zur Wärme- und Gastheorie von Adolphe Quételets „Physique sociale“ des „Durchschnittsmenschen“. Nicht nur, daß mit dem Entropiesatz der Traum auch eines Perpetuum mobile der zweiten Art als einer grandiosen Energieübertragungsmaschine ausgeträumt war: Boltz­manns statistische Mechanik relativierte zudem die Meß- und Beobachtungsexaktheit der makroskopischen Physik. Und mit ihr die Newtonsche Omnipotenzfantasie des „Laplace­schen Dämons“ in seiner gottähnlichen Verfügungsgewalt über Raum und Zeit samt einer Macht der mathematischen Übertragung, der jeder Zustand des Universums berechenbar schien. „Eine Intelligenz, welche zu einem bestimmten Zeitpunkt alle in der Natur wirken­den Kräfte sowie die gegenseitigen Lagen der sie bildenden Elemente kennte und über­dies umfassend genug wäre, um diese Größen der Analysis zu unterwerfen, würde in derselben Formel die Bewegungen des größten Weltkörpers wie des leichtesten Atoms erfassen; nichts würde ihr ungewiß sein, und Zukunft und Vergangenheit wären ihrem Blick gegenwärtig. Es läßt sich eine Stufe der Naturerkenntnis denken, auf der sich der ganze Weltvorgang durch eine mathematische Formel darstellen ließe, durch ein System von Differentialgleichungen, aus dem sich Ort, Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit jedes Atoms im Weltall zu jeder Zeit ergäben.“(14) Gegenüber dem „Laplaceschen Dämon“ und – um eine Parallele zwischen Natur­wissenschaft und Kunst zu ziehen – gegenüber dem Beethovenschen Dämon lassen mo­derne Physik und Neue Musik solche Exaktheits- und Allmachtsfantasien der Übertragung nicht mehr zu. Zeitgenössischer Musik ist keine Lingua franca mehr zuzuordnen und kein umfassendes Regelwerk vergleichbar dem der dur-moll-tonalen Epoche, deren Komposi­tionen ihrer Faktur nach verbindlich skizzierbar sind – nämlich auf der Metaebene der Harmonie-, der Kontrapunkt-, der Rhythmus-, der Motivlehre. Daß eine Klaviersonate Beethovens per Harmonielehre formalisierbar ist, heißt natürlich nicht, Beethoven habe reduktionistisch komponiert. Auch tonal gearbeitete Werke sind ihrem Gehalt nach nicht abkürzbar. Dennoch ist die Formalisierbarkeit einer Musik nicht äußerlich, die trotz ihrer Genialität etwas von Muster und Puzzle, etwas von der Beherrschbarkeit eines jeden Details und eben darin etwas vom Laplaceschen Dämon an sich hat. Mag die Musik der tonalen Ära auch ein ungeheures Repertoire an Innovation und Experiment aufweisen: ihre Codierung – Haydns Begriff von der „musicalischen Rechtschreibung“(15) macht dies an­schaulich – hat Ähnlichkeit mit der Rückführung vielschichtiger Zusammenhänge auf fundamentale Gesetze in der klassischen Physik. Kompositionen und Konzeptionen Neuer Musik dagegen sind in ihrem Übertra­gungsverhältnis zwischen Imagination, Notation, Interpretation und Rezeption ähnlich wie komplexe Systeme der modernen Naturwissenschaft eher offen als komprimierbar und schon gar nicht in einer allgemeinen Nomenklatur stenographierbar. Cages unwiederhol­bare Stücke des methodischen Zufalls hinterlassen nicht einmal mehr eine grafische Spur – im Idealfall wäre es die einer Partitur –, von der aus sich der Weg der Musik im Prozeß des Hörens verorten ließe. Zudem versteht sich Cages kompositorisches Konzept über die Einmaligkeit der Interpretation hinaus als ein approximatives Reservoir von Aufführun­gen, die ihrerseits wieder auf weitere Aufführungen ad infinitum verweisen: vergleichbar jenen Formationen des deterministischen Chaos, deren Struktur erst durch den womög­lich unendlichen Ablauf des Systems faßbar wird. Die Beschreibung des Systems ist das System selbst in Form seiner Realisierung. Den Bruch mit herkömmlichen Übertragungsverhältnissen teilen sich Neue Musik und moderne Naturwissenschaft im Abschied von intuitiven Wahrnehmungsweisen, sol­chen der Zeitvorstellung etwa. Wenn Zeit und das Bewußtsein von ihr stets auch Produkte der Sprache sind, dann bricht gegenwärtiges Komponieren mit der Zersplitterung des syntaktischen Sprachverständnisses gängige Zeitmodelle als eine besonders hartnäckige Sorte verstandesmäßiger Hypnotisierung: Modelle etwa wie das vom augenblickssummie­renden Kontinuum oder das einer folgegerichteten Linearität. Statt dessen sensibilisiert Musik heute für die Energie des Unkalkulierbaren. Daß das Irreduzible zeitgenössischer Kompositionen das kausal trainierte und am voraus- und durchhörbaren Werk geschulte Bewußtsein des prophetischen Hörens ins Leere laufen läßt, ist dafür ein erstes Sym­ptom. Analog sind Ort und Impuls im atomaren und subatomaren Bereich der Physik nicht gleichzeitig mit beliebiger Genauigkeit zu messen. Mit der Konsequenz, daß die Unge­wißheit gegenwärtiger Zustände sich gravierend auf die Berechenbarkeit künftiger Zu­stände auswirkt. Makroskopisch sind solche Unwägbarkeiten nur so lange ohne Interesse, solange übersehen wird, wie sehr sich Änderungen der Mikroebene zu unabsehbaren Turbulenzen der Makroebene aufschaukeln können. Mit dem Ende des Determinismus und mit der Sensibilität für minimale Faktoren werden austarierte Ordnungen zur Aus­nahme. Von nun an wird die Kraft einer ebenso exakten wie universalen Entscheidungs- und Berechnungssouveränität zu einem Sonderfall der Kontrolleffizienz des messenden Subjekts, das in der Prinzipienharmonie der Naturkausalität seiner göttlichen Spur inne­zuwerden glaubte; vergleichbar der Konstruktion auratischer Werkorganismen in der funk­tionsharmonischen Musik. In einer vernetzten Welt indes liegt die Brisanz der Systemfra­gilität auf der Hand, mögen die Konzepte von Ökonomie und Politik auch nach wie vor makroskopisch vergröbert sein, nicht unähnlich den makroakustisch geeichten Ohren gängigen Hörbewußtseins. Erst von der neuen Musik her werden die Ausschlußverfahren der tonalen hörbar: mit der Konzentration auf die Homogenität der Zeit, auf den affektiven Sprachgestus und seine Symbolik also die Absage an das Unreine von Chaos und Zufall. Erst jetzt entwickelt sich der Disput darüber, was die klassischen Modelle sagen können und was sie verschweigen müssen. Neue Energiegesetze also und damit neue Übertragungsverhältnisse. Im Lauf des 19. Jahrhunderts haben Wissenschaft und Kunst es immer mehr mit Unschärferelationen und Näherungswerten zu tun: im Unterschied zu Newtons Fundamentalgesetzen und zur ästhetischen Übertragungstopologie der Repräsentation, die die Reflexion von Welt und Dingen nach der Dynamik konstanter Form- und Affektsummen regelt. So organisiert die Musik der dur-moll-tonalen Epoche die motivisch-thematische Arbeit zwar als eine stän­dige Metamorphose der Kräfte, wenn auch als eine unter strenger Wahrung der Gesamt­energie. Nach und nach jedoch setzen offene Systeme eine Energie frei, die verlorenge­hen kann, ja verlorengehen soll, sofern sie sich der Ökonomie einer austarierten Um­schichtung und Umverteilung und dem Anspruch integraler Deutung entzieht. Solche Momente der Entropie finden sich in Mallarmés Wortkonstellationen ebenso wie in Saties Klangkombinationen oder in Cézannes Farbstreuungen; und mit diesen Facetten der Un­berechenbarkeit und des Zufalls eine Intensität des Weißen, die in Mallarmés Coup de dés , in Saties Danses gothiques oder in Cézannes La Montagne Saint-Victoire, vue des Lauves (16) zu einer Figur des Unverfügbaren wird. Wenn am Ende des 19. Jahrhunderts Kunst und Wissenschaft über Morphologien der Wahrscheinlichkeit einander korrelieren, haben sich mit dem Verhältnis zwischen Makro- und Mikro-Ebene in den zunehmend sta­tistisch bestimmten Ensembles und mit der medialen Qualität ihrer Träger auch die Über­tragungsrelationen der Rezeption verändert. Malt Cézanne die Bewegung des Betrachters mit, insistiert Proust auf der aktiven Rolle des Lesers, da „jeder Leser, wenn er liest, ein Leser nur seiner selbst“ ist. „Das Werk des Schriftstellers ist dabei lediglich eine Art von optischem Instrument, das der Autor dem Leser reicht, damit er erkennen möge, was er in sich selbst vielleicht sonst nicht hätte erschauen können.“(17) Umwertungen II: Lecks Der ästhetische Umwertungsprozeß seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bewirkt eine Ab­dichtung und gleichzeitige Verdichtung im Kreislauf der Übertragungen. Was Cézanne, Mallarmé oder Debussy verlangen, ist nichts Geringeres, als daß Farben, Worte oder Töne in erster Linie nicht mehr vom Szenarium der Welt her zu verstehen sind, sondern aus der Malerei, der Dichtung, der Musik selbst. Schon zeitgenössische Reaktionen auf das Spätwerk William Turners, die vom ‚Gestaltlosen und Leeren’ und von „Bildnissen des Nichts “ sprechen, registrieren im Terrain vague der repräsentativen Signifikanz, daß nun nicht mehr die „eigentlichen Dinge der Natur“ zur Darstellung kommen, sondern „das Me­dium“, „durch das hindurch man sie erblickt“.(18) Die gleiche Erfahrung des Nichts begegnet uns in Balzacs Le Chef-d'œuvre inconnu , jener Novelle, die zur Lieblingslektüre Cézannes zählte(19). Und zwar als jenes verwundert erschrockene „Rien“, mit dem der Maler Nicolas Poussin Frenhofers Porträt der Cathérine Lescaut standzuhalten sucht. Malerei wird bei Balzac zum Potlatsch einer sich verausgabenden bildnerischen Geste, die sich mit keiner Grenze und demnach mit keiner Formgebung durch Auswahl, Sondierung oder Refus be­scheiden will. Die allein noch als erkennbar gemalte „Spitze eines nackten Fußes“ ver­stärkt nur das interne Drama der aufeinander reagierenden Form- und Farbsequenzen, die der Legislative selbstreferentieller, strukturinterner Übertragungen gemäß „in wirrem Durcheinander massiert sind und von einer Fülle bizarrer Linien zusammengehalten wer­den“. Im „chaos de couleurs, de tons, de nuances indécises“, im „nichts als Farben“ nur sich selbst verpflichtet, vergittert sich das Bild gegen die abbildhafte Repräsentation zur „muraille de peinture“; zu einem Tableau, das sich im Rausch der Pentimenti und Über­malungen zu bildloser Bildhaftigkeit transformiert. Unter Auslöschung des Gegenständli­chen korrespondiert die ‚ständige Anhäufung von Farbschichten’ als „brouillard sans forme“ über die Zeit hinweg mit der Klangchemie in Debussys Brouillards und ihren präzi­sen Dekonturierungen. Umgekehrt war schon zehn Jahre vor Balzacs Peinture extatique bei E. T. A. Hoffmann von „jenem alten, vom Wahnsinn zerrütteten Maler“ zu lesen, „der tagelang vor einer in den Rahmen gespannten grundierten Leinewand saß und allen, die zu ihm kamen, die mannigfachen Schönheiten des reichen, herrlichen Gemäldes anpries, das er soeben vollendet“(20). Daß die Extreme der übervollen und der radikal leeren Lein­wand bei Balzac und E. T. A. Hoffmann die klassische Übertragungssituation der Reprä­sentation außer Kraft setzen, charakterisiert jene Obsessionen im Aufbruch und Ausbruch der Kunst der Moderne, hier der Malerei, die den ästhetischen Schein und seine Virtuosi­tät der Illusion zu Fall bringen: im Mal- und Materialgrund der Leinwand und ihrer stoffli­chen Autonomie. Nicht erst seit Nietzsche ahnen Sprache und Schrift, hinter ihren Lauten und Zei­chen könnte sich womöglich das pure Nichts verbergen. Sagbares, Unsagbares; Lesba­res, Unlesbares: wo verläuft die Grenze, wenn der Grund der Sprache grundlos wird und die Brücke ihrer Übertragungen über den Fluß einer stets wandelbaren und willkürlichen Konvention führt? Hatte nicht bereits Shakespeare die Worte in die Fallen ihrer Klitterun­gen und Mehrdeutigkeiten laufen lassen, um das logische Getriebe der Sprachmaschine zum Knirschen zu bringen? Auf seiner Spur sucht Beckett 300 Jahre später „ein Loch nach dem andern in [die Sprache] zu bohren, bis das Dahinterkauernde, sei es etwas oder nichts, durchzusickern anfängt“.(21) Nach der Entzauberung der Idee des Absoluten zur Wortmythologie zeigt sich das Zufällige am Regelwerk der Sprache und mit ihm das Selbstläufertum leeren Geredes. Sprache: eine Art „Handschuh“ – „how quickly the wrong side may be turned outward!“(22); Sprache: ein Instrumentarium mit zu vielen Wörtern, die „kontraindiziert“ sind. „Wir haben sie gelernt, wir wiederholen sie, glauben, sie hätten ei­nen verwendbaren Sinn; aber sie sind Geschöpfe der Statistik und daher Elemente, die jedes Bauwerk und jede exakte Verrichtung des Geistes vergeblich oder illusorisch ma­chen, wenn man sie dort ungeprüft einführt.“(23) Den Abgrund der Sprache in der Sprache aufscheinen lassen, indem ihr Kausal­feld mit Null-Ordnungen durchquert wird: nichts anderes intendieren schon die Lecks, die in Sternes Tristram Shandy die Zeitkonsistenz des Romans aushöhlen. Die Verschrän­kung von Progression und Digression zu einem perforierten Erzählstil, das Durchlöchern des Textes mit leeren, marmorierten oder geschwärzten Seiten sind Störungen eines an Dichte, Folgerichtigkeit und Lückenlosigkeit gewöhnten Übertragungsideals. Sprache will nicht mehr in der Integrität des Integrals aufgehen, sondern den naturgeschichtlichen und zivilisationsgenetischen Grund im Anfälligen und ästhetisch Verlockenden ihrer Vieldeu­tigkeiten und Mißverständnisse offenlegen: die Fragilität eines Diskurses und seiner Her­kunft aus der Not der Verständigung. Der Wirkung nach vergleichbar dem abderitischen Entwurf von Geschichte gegen jede Form des Eudämonismus oder Terrorismus: „Weben und Aufreißen! – penelopische Arbeit!“(24) Sprache von ihren Rändern her zu denken, die Kombinatorik ihres Sinngenerators auf halbe Touren, gar zum Stillstand zu bringen, hat eine lange Vorgeschichte. „Man muß sich vorstellen, das Lesen geschehe in einem öffentlichen Blatte, worin sowohl politische, als gelehrte Neuigkeiten, Avertissements von allerlei Art usw. anzutreffen sind: der Druck jeder Seite sei in zwei oder mehrere Kolumnen geteilt, und man lese die Seiten quer durch, aus einer Kolumne in die andere“, schreibt Georg Christoph Lichtenberg als Anlei­tung zu seiner „Nachahmung der englischen Cross-readings“ und den folgenden Material­beispielen: „Am 13. dieses schlug der Blitz in die hiesige Kreuzkirche – Und setzte Tages darauf seine Reise weiter fort“. „Es wird eine Köchin gesucht, die mit Backwerk umzuge­hen weiß – Zu zwei Personen eingerichtet, nebst etwas Kellerraum.“(25) Was Lichtenbergs „Cross-readings“ als sprunghaften Übertrag von einer Spalte zur anderen in Szene set­zen, sind Risse im semantischen Transfer der Sprache. Eine Übertragung mit Kurz­schlüssen zwischen unterschiedlichen Lebensressorts, die den konventionsmächtigen Anspruch eines Sinns erster Ordnung durch einen Sinn zweiter Ordnung zum Irisieren bringt. Auch hier also Kassiber, Konterbande und Lecks im Zirkel der Übertragung, wie sie sich als frühe Asymmetrien des ästhetischen Organismus ebenfalls im Pianissimo der letzten Takte von Mozarts C-Dur-Klavierkonzert KV 415 , in Alkmenes „Ach!“ als Schluß von Kleists Amphitryon oder im Symmetriebruch der weißen Leere in den „Desgracias Acaecidas en el Tendido de la Plaza de Madrid“ von Goyas Tauromaquia finden. Solche Leerstellen treiben erste Schneisen in die Sinndichte des Werkorganismus und befreien die medialen Träger nach und nach aus ihrem Boten- und Mittlerstatus im Dienst ästhetischer Übertragung. Das Dogma vom Werk als Schein und Spiegel wird ris­sig. Schon bei Manet verbindet sich die Materialisierung des Malgrunds mit der Darstel­lung eines vom Bild zwar evozierten, gleichwohl aber ausgesparten Unsichtbaren. Die Einbeziehung stofflicher Eigenschaften der Leinwand, das „Spiel“ mit ihrem „Gewebe“, die Aufhebung des Tiefenraums und der inneren Beleuchtung sorgen dafür, daß der Mal­grund Teil jener Form- und Farbkonstruktionen wird, die die Repräsentation aufzehren(26). Nicht anders rechnen Cézannes sogenannte unvollendete Bilder mit der Potenz einer punktuell weißen Leinwand, die das Abbildhafte im Sujet unterwandert und das Medium der Übertragung im Blick der Malerei auf sich selbst visualisiert: als Paradox einer Nega­tivform der Fülle inmitten einer abstrakt werdenden Welt. „Man muß sich beeilen, wenn man noch etwas sehen will. Alles verschwindet.“(27) Während sie sich dem Abbild und der Ähnlichkeit entzieht, wird Malerei auf ihre dingliche Basis und auf den Akt des Malens hin transparent. Ebenso beginnt Sprache ihre stoffliche Qualität als substantiell zu begreifen, sobald sie ihre phonetischen, physiologischen, gestischen, von Wortsemantik freien Ele­mente gegen die Allianz von Ökonomie und Bedeutung kehrt. Kunst verwirklicht ein Stück ästhetischer Metaphysikkritik. Daß Musik die Physis des Klangs zu einer strukturellen Kraft emanzipiert, verabschiedet den Platonismus der Reinheit des Tons und der Idee. Klang verstanden als „Nachricht seiner Hervorbringung und der dabei mitwirkenden me­chanisch-physikalischen Bedingungen“(28) hebt die Hierarchie zwischen Geist und Stoff auf. Beide sind nicht mehr voneinander zu trennen: der hohe Sinn der Übertragung ebenso­wenig von seinem materiellen Träger wie die ‚Botschaft’ von ihrem ‚Medium’. Kunst in der Moderne heißt, Schocks im Experiment der Übertragung zuzumuten; Attacken somit gegen die Gewohnheit, Werke und ästhetische Konzeptionen zu Mitteln einer Selbstbehauptung qua Selbstbespiegelung zu degradieren. In dem, was Freud das „innere Ausland“ der Psyche genannt hat, ist der Nationalismus des Selbstinteresses und der Rationalisierung nicht zu unterschätzen. Wird Kunst zu einem Desillusionierungsun­ternehmen, das die Projektionssucht des Subjekts kappt, dann erinnert solche Ernüchte­rung an die Entlarvung jenes Narzißmus, den Nietzsche im „Pathos der Wahrheit“ als die Übertragung allzu menschlicher Instinkt- und Machtbelange in die Sphäre der Metaphysik ausgemacht hat. Information – Deformation – Transformation Die Rationalisierung der Schrift im Druck mit beweglichen Lettern und damit die Auflösung des göttlichen Logos in ein Puzzle von Buchstaben und Silben läßt von nun an jeden Text auf die Setzkästen Gutenbergs hin transparent werden: Setzkästen des Geistes, die er­lauben, die Welt in ein unendlich verschiebbares Repertoire der Worte und Gedanken zu übersetzen. Daß die Offenheit dieser Kombinatorik den Grund des Schöpferischen und den Abgrund des Künstlichen jeder Sprache aufdeckt, unterhöhlt die Sinnbrücken der Syntax, die die Kluft zwischen den Worten überspannen. Bewußt wird, wie sehr Sprache eine „Abbildung durch diskontinuierliche Zeichen“ ist.(29) Läßt sich diese Diskontinuität mit Spinoza zunächst immer noch als die Wirkung der einen welterzeugenden Substanz den­ken – aufgehoben im „unendlichen Modus“ der Sprache mit den endlichen Modi der in Zeit und Geschichte sich ändernden, je verschiedenen Worte und grammatischen Gefü­gen der Einzelsprachen –, durchbricht bereits Spinoza selbst mit seinen anthropologi­schen und genealogischen Reflexionen zur Sprache jenen Umlauf der Übertragungen, den theologische Sinninstanzen über lange Zeit relativ deutungskonsistent und -resistent gehalten hatten. Marshall McLuhan hat auf die Auswirkungen des phonetischen Alphabets und der Alphabetisierung hingewiesen: auf die zumal durch den Buchdruck potenzierte visuelle Reduktion der Sinne; auf die Dominanz von Folgerichtigkeit, Kategorisierung und Klassifi­kation nach dem Kanon kausal-logischer Schlüssigkeit; auf die Anpassung von Erfahrung an die Effizienz serieller Fragmentierung und an die Mobilität uniformer Kontinuitätsver­läufe. Daß die Linearität wiederholbarer Muster schließlich im Fließband kulminiert, gilt McLuhan als eine konsequente industrielle Materialisierung der Gutenberg-Galaxis. Die Konvergenz solcher Analysen mit Foucaults Arbeiten zur Fusion von „Disziplinarverfah­ren“ und „linearer Zeit“ liegt auf der Hand.(30) Und damit die Übertragungsdichte einer Weltim­manenz, die den Zwang zur Rendite über die Aufklärungsteleologie von Finalität und Sittlichkeit und über die Vermittlung von Geschichte, Gattung und Fortschritt in die Universalität eines gesellschaftlichen Taylorismus überführt, der mit allen Mitteln de­monstriert, wie sehr im Begriff der Ökonomie seit der Spätantike die Bedeutungen von „Haushaltung“, „Verwaltung“ und „Heilsordnung“ zur Deckung kommen. Die ökonomische und bürokratische Rastrierung des modernen Zeitbewußtseins mit seiner auf Zerstückelung basierenden Kombinatorik im Dienst der Akkumulation setzt ein Arsenal von Herrschafts- und Beherrschungstechniken voraus, die die Ressorts des Corps social mit der Tendenz zu einer Reibungslosigkeit qua Anonymität durchdringen. „Der Kapitalismus ist ein System von Abhängigkeiten, die von innen nach außen, von au­ßen nach innen, von oben nach unten und von unten nach oben gehen. Alles ist abhän­gig, alles ist gefesselt. Kapitalismus ist ein Zustand der Welt und der Seele.“(31) Kafkas Be­schreibung der modernen Gesellschaft als einer gleich intensiven wie extensiven Übertra­gungsmaschine von Machtverhältnissen spielt auf jene konzertierte Aktion von äußerem Druck und verinnerlichter Kontrolle an, die keine Brüche, keine Irritationen, keine Besin­nung, keine Exzentrik des Außerhalb mehr zulassen will. Daß dabei die Kontroll- und Funktionscodes, um wieder an McLuhan anzuknüpfen, bis in die Raster des Blocksatz­bewußtseins hineinreichen, kann nur bezweifeln, wer verkennt, wie sehr die Entwicklung einer anderen Wahrnehmungssemiotik und Erfahrungspraxis mit einem Wandel gängiger Übertragungsmuster zusammenhängt. Mit einem Umbruch jener diachronen Kausalität also, die gerade wegen ihrer ökonomisch bewährten Effizienz weiterhin auf die hypotakti­sche Organisation linearer Vermittlungshierarchien setzt. Daß die hochbetagten, alphabetisch disponierten Textarmaturen mit ihrer bündig ausgerichteten Linearität und ihrer funktionalen Flexibilität eng an die Sinnmatrix von Te­leologie und Theologie gebunden bleiben, läßt ihre kognitive Praxis seltsam starr hinter einer Welt zurückbleiben, die seit dem Zeitalter des Perspektivismus auf transversale Konditionen und Relationen setzt. Anstatt mit dem Dèréglement der Linie häufiger als bis­her Ernst zu machen, arbeitet Sprache unter dem Mandat des Realitätsprinzips immer noch nahezu ausschließlich dem Einheitsanspruch eines Subjekts zu, das die göttliche Regie beerbt, um seine Identität Dingen und Welt im Zeichen des Kalküls unterzuschie­ben. Erst wenn die Sprache bis in die typographischen Fanale hinein auf sich zurückwir­ken ließe, was sich ihrer auf Eindeutigkeit und Verwertbarkeit ausgerichteten Codierungs­pflicht seit der Zeit des Industrialismus entzieht, könnte sie auch außerhalb ihres poeti­schen Refugiums zu evozieren beginnen statt immer nur zu informieren. Damit käme sie dem näher, was anders wäre als eine logistische Reduktion, die aus der Abwesenheit asemantischer Frakturen resultiert; Frakturen, deren weiße und leere Stellen die Trance der Gewohnheit und ihre Blockaden auf das Andere von Schrift und Sprache hin durch­lässig machen. Zu Recht konstatiert Roland Barthes: „‚Changer la langue', mot mallar­méen, est concomitant de ‚Changer le monde', mot marxien“.(32) Innerhalb der Arbeitsteiligkeit moderner Gesellschaften fällt es vorrangig der Kunst zu, die zu Trend und Trott verkrusteten Dauerspuren sozialer Übertragung zu irritieren. Je mehr die Verinnerlichung funktionaler Standards zur zweiten Natur avanciert, je mehr sie durch Dressur und Selbstschutz zu Mündigkeit und Freiheit verklärt wird und die Korridore der Macht festigt, umso mehr sucht ästhetische Praxis das Locked-In der Gesellschaft mit Umcodierungen und Transformationen aufzubrechen: um die Reste an Eigensinn in Wahrnehmung und Bewußtsein dafür zu sensibilisieren, wie sehr das Absaugen psychi­scher Energien im Moloch der Informationsflüsse und Außenreize und deren Recodierung mit der je eigenen Befindlichkeit es erschweren, die Dissidenz des Denkens zu einer des Handelns zu erweitern. Und doch: gerade weil für die Idee der Übertragung die des An­kommens so entscheidend ist, schließt sie auch die Möglichkeit des Nicht-Ankommens mit ein. Daß das Nicht-Ankommen freilich keine Katastrophe sein muß, ja daß umgekehrt das unausgesetzte Ankommen und Angekommensein im System eines Funktionalismus die Katastrophe sein könnte, der Desensibilisierung und Überlebensgarantie miteinander verrechnet, macht die Kunst der Gegenwart bewußt. Sie will in den Daten-, Waren- und Energieströmen jene Übertragungsdichte entlarven, mit der die gesellschaftliche Maschi­nerie unerbittlich gegen Zäsuren und Leerstellen anproduziert; jenen Horror vacui also, der Lückenlosigkeit noch im Kleinsten erzeugen will, gerade weil das soziale Gefüge im­mer wieder leckt und Risse zeigt; angefangen von medienwirksamen Großkatastrophen bis hin zu wirtschaftlichen Unberechenbarkeiten und Demütigungen oder bürokratischen Störfällen. Seitdem die Übergänge zwischen dem Öffentlichen und Privaten, die Hegels Dialektik noch auf einen Dialog zwischen Politik und Publizistik hin gedacht hat, vom py­ramidal organisierten Distributionsapparat der Medien, allen voran von der neotheologi­schen Sende- und Übertragungsmacht des Fernsehens besetzt wurden, zeigt sich die Tendenz zur Geschlossenheit der Transfers noch an scheinbaren Belanglosigkeiten wie der TV-Unsitte, keine Sendung mehr ihr Ende finden zu lassen, ohne sie mit Trailern und Programmhinweisen zu überblenden. Abgesehen von Profit und Quotenwettbewerb ha­ben sich solche Diktate des Unaufhörlichen und Ununterbrochenen längst institutionali­siert. Was Lucile Desmoulins in Büchners Danton verzweifeln läßt, die Unmöglichkeit, Welt anzuhalten, scheint in Zeiten einer gigantischen Übertragungspräsenz schon dem Gedanken nach undenkbar zu werden. Medientechnisch bedeutet Übertragung eine Dauerimpfung mit Information. Sie stabilisiert die Abwehr dem gegenüber, was anders wäre als Information. Übertragen und Untersagen, Informieren und Deformieren liegen hier dicht beieinander. Daß das infor­mierte Bewußtsein, dem ständig etwas einzufallen hat und einfällt, die Oberflächenresi­stenz seiner Welttaxierung durchbricht, wird schwerer, seitdem die Übertragungsindustrie und der durch sie gedämpfte und zugleich verstärkte Angstgrund ihrer Weltgemeinde un­ablässige Sende- und Empfangsbereitschaft voraussetzen. Sobald zum ungeschriebenen Gesetz wird, am Tropf der Übertragungsmaschinen zu hängen – Inbegriff des „being wi­red“ – nimmt Übertragung zusätzlich die Bedeutung von Ansteckung an. Zugleich liegt es im Interesse der Überträgermacht jener Krankheit Kommunikation, der alles kommuni­zierbar, weil konsumierbar scheint, Immunschwächen gegen die Epidemie der Übertra­gung und der Zirkulation des „Niemals stillstehen!“ auf der Habenseite zu verbuchen. Doch statt sich „in eine Ecke zu verkriechen und darüber zu jammern, was die Medien mit uns anstellen, sollte man zur Attacke blasen und ihnen direkt in die Elektroden treten.“(33) Was aber – so die zeitgenössische Kunst – könnte eingefahrene Übertragungsprozesse vorerst mehr irritieren, als einer durch Verwertung entwerteten Erfahrung die Zersplitte­rung von Zeit, Wahrnehmung und Bewußtsein in Erinnerung zu bringen und mit ihr das Phänomen der Übertragung als einer Kartographie, die viele Wege – andere, unbekannte – zuläßt? Sprachtransfer oder Sinn als Effekt Früh schon eröffnet Nietzsche dem Begriff ungewohnte Freiheiten der Übertragung. Die Freiheit etwa, die erste Sprache der Philosophie in eine zweite umzumodulieren: gefärbt von einer genealogischen Grammatik der Assoziationen im Unterschied zur metaphysi­schen der Identifikationen. Auch dies eine Stimme in Nietzsches Polyphonie, die die dis­kursive Argumentation und das Ereignis der Sprache in wechselseitiger Spannung hält. So weitet sich die Metapher im Zarathustra von der Gleichnisrede zur poetischen Trans­formation des Begriffs, zum Medium der Einigung des Disparaten und zur Verschränkung von Sagen und Nichtsagen. Nach ihrer Entlastung vom göttlichen Wesensgrund des Lo­gos wird Sprache bindungslos und mächtig in eins. Wenn Nietzsche die philosophische Wahrheitsattitüde ironisiert, um ihrer scheinbar erschöpfenden Rhetorik die Coups uner­laubter, weil bislang undenkbarer Begriffsmischungen zu infiltrieren, folgt er dem frühro­mantischen Verfahren, disparate Phänomene des Weltszenariums entgegen ihrer moral- und machtcodierten Separierung miteinander zu kreuzen: im Namen eines Denkens, des­sen Hebamme und Aktrice die Kunst ist. Sie und ihre bewußte Produktion von Schein sind es, die in Nietzsches Umwertung des Sinn- und Moralregimes Sprache ständig die Frage stellen, was es denn heißt, zu sprechen und die Welt ausschließlich im Trompe-l´Œil zahlloser Metaphern zu erfahren. Erst das Poröswerden der Sprache als einer Kodifizie­rung von Moral und Wahrheit ändert den Kanon dessen, was als Sinn gilt, bis hin zur Um­kehrung zahlreicher Übertragungsstränge: so in Nietzsches und Baudelaires gegenläufi­gen Lesarten von Gut und Böse, so auch in der Technik der achsensymmetrischen Zeit­manipulationen von Bild und Ton oder in der Mobilität und Offenheit variabler Formver­läufe im Bereich Neuer Musik. Als Thomas Alva Edison 1877 das Liedchen Mary had a little lamb in einen Trich­ter sang und mittels einer unter Schall vibrierenden, membranfixierten Nadel einem stan­niolbespannten Metallzylinder eingravierte, revolutionierte er den Stand der Archivierung. Wie sehr sich die Aufzeichnungs- und Wiedergabestrategien von Klängen und Geräu­schen auch verfeinern sollten – vom Nadeltonverfahren über die magnetische Schallauf­zeichnung bis hin zu digitalen Speicher- und Bearbeitungsoperationen: Erst mit ihrer Kon­servierung waren akustische Ereignisse verfügbar geworden, konnten Klänge und Geräu­sche, zunächst vor allem durch die Magnettontechnik, mit Schnitt- und Kombinationsme­thoden manipuliert, transformiert und wiedergegeben werden. Und sie konnten sich – ab­gesehen von ihrer virtuell unendlichen Übertragbarkeit in die Zukunft – ähnlich den Bildern des Films beschleunigen oder verlangsamen, ja sogar ihren Verlauf in der Zeit ändern, vorwärts so gut wie rückwärts reproduziert werden. Damit war evident, daß Edisons Erfin­dung eine Zeitmaschine in Gang gesetzt hatte. Was dieser Umbruch im Wesen und im Verständnis sinngerichteter Sprachstruktu­ren und ihrer Übertragungssemantik musikalisch besagt, wird klar, wenn man sich den Gedanken erlaubt, Beethoven hätte beim Komponieren etwa seiner Neunten Symphonie deren Rückläufigkeit in Form einer Umkehrbarkeit in der Zeit mitbedacht. Natürlich hängt die Resistenz gegen eine solche Umkehrung mit dem musikalischen Sprachcharakter Beethovenscher Kompositionen zusammen, mit der Relation zwischen Teil und Ganzem, vor allem jedoch mit dem Verständnis von Sinn und Sprache zu Beginn des 19. Jahrhun­derts. Umkehrung ist der Tod jedes Sprachsinns: Er wird unverständlich, zum sinnlosen Abfall seiner selbst. Gravierend deshalb der Abstand zu einer Musik, für die Sprache mittlerweile in der Expressivität ihrer Physis zum Klangmaterial geworden ist und Zeit ent­gegen ihrer Schicksals- und Entwicklungsdimension zum modellierbaren Stoff. Weshalb sollte es noch Probleme mit reversiblen Verläufen geben? Karin Rehnqvists Komposition Davids Nimm jedenfalls setzt mit der Umkehrung eines schwedischen Volkslieds de­monstrativ auf Reversibilität als einen mittlerweile ästhetisch sinnvollen Ausdruck zweiter Ordnung. Daß damit obendrein eine genuine Tonbandtechnik reproduziert wird, verweist auf die technische Komponente im Wandel der Geschichte der Übertragung. Technik aber ist nur eine Variable im Formenkreis des Denkens, die mit sämtlichen Bewußtseinsfacet­ten ihrer Zeit kommuniziert. Es ist deshalb kaum verwunderlich, daß die naturwissenschaftliche Zäsur der Fal­sifizierung des Äthers, einer als stofflich angenommenen Träger- und Übertragungssub­stanz elektromagnetischer Phänomene, durch Michelson und Morley 1887 und Einsteins Spezielle Relativitätstheorie einer Zäsur auch in der Kunst korrespondiert. Wie der physi­kalische Äther als überflüssiges Konstrukt eines Transfergrunds verschwindet, da Licht­wellen sich ohne Medium ausbreiten, so löst sich auch der poetische Äther der Metapher vom Fluidum der Repräsentation. Mithin, etwa bei Mallarmé, von seiner Vermittlung zwi­schen Kunst und Welt analog dem aristotelischen Prinzip der Homoiosis: „Denn gute Me­taphern zu bilden bedeutet, daß man Ähnlichkeiten zu erkennen vermag.“(34) Sinn wird von nun an zum fragilen Oberflächeneffekt einer Sprache, die das Wort von seiner kommuni­kativen Verständlichkeit trennt. Der Assoziationszauber, der das Lesen im Buch der Welt lange an theologische und metaphysische Codierungen gebunden hatte, führt nun ins In­nere der Zeichen und Bedeutungen: im Namen einer Sprache, die sich als ihre eigene hermetische Metapher spricht. Schon in Nietzsches „Selbstkenner-Selbsthenker“-Motiv oder in Baudelaires Heautontimoroumenos richtet sich Immanenz als Introversion auf sich selbst. Und daß sich Nietzsches „Gott ist tot“ in der „azurnen Einsamkeit“(35) eines Mo­nologs vielfältiger Überschreitungen bricht, ähnlich wie Mallarmés „Le Ciel est mort“ im „Azur“ des säkularisierten Himmels als der Quelle einer ungeahnten poetischen Ver­schwendung(36), kennzeichnet eine Korrespondenz der Übertragung zwischen Ich und Welt im Zeichen der Introspektion und mit der Wirkung eines „Pathos der Distanz“(37). Schließ­lich war es Mallarmés Dichtung, die begann, was im Spätwerk Paul Celans als Irrfahrt nach der absoluten Sprache jenen Ort erreicht, „wo alle Tropen und Metaphern ad absur­dum geführt werden wollen“.(38) Grenzgänge: Reinheit und Rauschen „Le silence éternel de ces espaces infinis m´effraie.“(39) Pascals Erfahrung vom Schweigen des Universums läßt ahnen, wie der leere, unendliche Raum vom frühen Subjekt auf Re­sonanzen und Signale, auf Übertragung hin abgehört wurde. Auf welche Weise antwortet der „Dieu caché“? Kann der „verborgene Gott“ überhaupt noch antworten? Verbirgt er sich womöglich – wie bei Bach – im rationalen Gefüge der Musik und ihrer planvollen Ökono­mie der Affekte als einem seiner letzten Refugien? Oder verstummt er vor dem Blick ins Innere des eigenen Seelenlebens, das der Riß zwischen Körper und Geist in Atem hält? Nach dem theologischen Interpretationsruin und dem Konkurs der Transzendenz gilt es die Immanenz der Welt als die „wahre Unendlichkeit“ zu begreifen und zu leben. Goethes Satz „Willst du ins Unendliche schreiten, / Geh nur im Endlichen nach allen Sei­ten“(40) zieht aus dem Schwinden der religiösen Aura eine alles andere als tragische Umwer­tung von Übertragungsenergien. Der Kosmos der Urteile, der vormals durch die Sprache als Repräsentantin des Worts der Offenbarung im göttlichen Grund aufgehoben war und den liber mundi begründbar und lesbar hielt, öffnet sich nun auf eine innerweltli­che Gegenwart hin, die sich selbst zum Sinnbild wird. Auch wenn Baudelaire gegen Ende des Zeitalters der Metapher und ihrer Entpoetisierung durch den Kommerz der Sprache die Gleichnisse allegorisch bricht, weil sich die Spur der Transzendenz noch abzeichnet, ohne lesbar zu sein: Prousts Recherche jedenfalls richtet davon unbeeindruckt zum letz­ten Mal ein irdisches Fest der Vergleiche aus, um die ästhetische Welt der Erinnerung und der inneren Erfahrung in die prosaische des Homo oeconomicus hinüberzuretten: mit der dissonanten Spannung einer Ähnlichkeit des Verschiedenen. Übersetzen von Welt in Leben, in Sprache und Kunst entdeckt mit der Spur der Umwandlung auch die des Desiderats und des Verlusts in jeder Form von Übertragung. „Reden ist übersetzen – aus einer Engelsprache in eine Menschensprache, das heißt, Gedanken in Worte, – Sachen in Namen, – Bilder in Zeichen; die poetisch oder kyriolo­gisch, historisch, oder symbolisch oder hieroglyphisch – und philosophisch oder charakte­ristisch seyn können. Diese Art der Übersetzung (verstehe Reden) kommt mehr als irgend eine andere mit der verkehrten Seite von Tapeten überein, And shews the stuff, but not the workman's skill; oder mit einer Sonnenfinsternis, die in einem Gefäße voll Wassers in Augenschein genommen wird.“(41) Johann Georg Hamann zielt hier auf das charontische Mo­ment jeder Übersetzung, auf den Obolus also, der als Tribut an das Über setzen über den Styx der Verwandlung und damit an das Vergessen, an das Schattenhafte und Dunkle im Akt der Übertragung zu entrichten ist. Daß Übertragung ohne Metamorphose nicht zu denken ist, wird der Philosophie zur Vielfalt ihrer Hermeneutik. Schon Leibniz brachte die Grenzen der Übersetzbarkeit unter Verweis auf die „besonderen Ausdrücke“ solcher kultureller und historischer Spezifika ins Spiel, die sich gegen wörtliche ‚Translatio­nen’ sperren. „So waren der Ostrazismus bei den Griechen und die Proskription bei den Römern Worte, die die anderen Sprachen durch entsprechende Worte nicht aus­zudrücken vermochten. Die Veränderung der Lebensgewohnheiten bringt daher auch neue Wörter hervor“.(42) Arbeitet sich Heidegger daran ab, mit welchen Ohren griechisches Philosophieren zu hören sei, macht Nietzsches Historismuskritik am Status der Überset­zungen den „Grad des historischen Sinnes“ einer Epoche fest, ihre Kraft der Aneignung des Anderen. So scheinen uns die römischen Dichter, jedem „antiquarischen Spürgeiste [...] abhold“, zu fragen: „‚Sollen wir das Alte [der Griechen] nicht für uns neu machen und uns in ihm zurechtlegen?’ [...] In der Tat, man eroberte damals, wenn man übersetzte“.(43) Daß freilich „keine Übersetzung möglich wäre, wenn sie Ähnlichkeit mit dem Original ih­rem letzten Wesen nach anstreben würde“, wird zum Leitmotiv in Walter Benjamins Theo­rie der Übertragung. „Denn in seinem Fortleben, das so nicht heißen dürfte, wenn es nicht Wandlung und Erneuerung des Lebendigen wäre, ändert sich das Original.“ Besteht doch die „Aufgabe des Übersetzers [...] darin, diejenige Intention auf die Sprache, in die über­setzt wird, zu finden, von der aus in ihr das Echo des Originals erweckt wird“. „Die wahre Übersetzung ist durchscheinend, sie verdeckt nicht das Original, steht ihm nicht im Licht, sondern läßt die reine Sprache, wie verstärkt durch ihr eigenes Medium, nur umso voller aufs Original fallen.“ So „berührt die Übersetzung flüchtig und nur in dem unendlich klei­nen Punkte des Sinnes das Original, um nach dem Gesetze der Treue in der Freiheit der Sprachbewegung ihre eigenste Bahn zu verfolgen.“(44) So wie es laut Nietzsche keine puren Fakten gibt, sondern nur Interpretationen, so gibt es auch keine Sprache an sich, sondern nur Übertragungen. Goethe hat diese anthro­pologische Variable stark gemacht und auf ihre narzißtischen Ressourcen hin de­maskiert: „Im Auslegen seid frisch und munter! / Legt ihrs nicht aus, so legt was unter.“(45) Denn der „Mensch ist ein wahrer Narziß; er bespiegelt sich überall gern selbst, er legt sich als Folie der ganzen Welt unter“. Wie aber steht es mit der narzißtischen Auslegungspra­xis in der Unübersichtlichkeit der Moderne? Es war kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, als Sigmund Freud die „großen Kränkungen“ thematisierte, die die „Menschheit im Laufe der Zeiten von der Wissenschaft erdulden“ mußte. „Die erste, als sie erfuhr, daß unsere Erde nicht der Mittelpunkt des Weltalls ist“. „Die zweite dann, als die biologische Forschung das angebliche Schöpfungsvorrecht des Menschen zunichte machte, ihn auf die Abstammung aus dem Tierreich und die Unvertilgbarkeit seiner ani­malischen Natur verwies“. „Die dritte und empfindlichste Kränkung“ aber, sofern die psy­choanalytische Forschung dem „Ich“ nachweist, „daß es nicht einmal Herr ist im eigenen Hause, sondern auf kärgliche Nachrichten angewiesen bleibt von dem, was unbewußt in seinem Seelenleben vorgeht“. Kränkungen, die allesamt Einbußen im anthropozentri­schen Projektions- und Übertragungsetat verzeichnen. Stand indes nach diesen Kränkungen nicht noch eine weitere an? Eine Demüti­gung nicht nur durch, sondern für die Wissenschaft selbst? Erkenntnisse wie die in Ein­steins Relativitätstheorie, daß es keinen vor allen anderen ausgezeichneten Bezugspunkt der Zeit gebe, oder die von Gödels Unvollständigkeitstheorem, dem vielleicht wichtigsten logischen Beweis des letzten Jahrhunderts, dem zufolge kein mathematisches oder logi­sches System gleichermaßen vollständig und schlüssig sein kann, da es immer Aussagen enthalte, deren Wahrheitswert mit Mitteln des Systems weder bewiesen noch widerlegt werden kann; des weiteren all die nicht hintergehbaren Grenzen von Wahrscheinlichkeit und Unbestimmtheit in der Quantenphysik und Systemtheorie, kurz: das Offene der nach­klassischen Naturwissenschaft – handelt es sich hierbei nicht auch um Kränkungen und um eine Abkehr von ebenso verläßlich wie intuitiv fundierten Prinzipien der Übertragung? Oder, um auf die Musik zu kommen, der Bruch mit der homogenen Zeit, mit dem affekti­ven Erlebnisstrom, mit dem subjektzentrierten Sprachcharakter: liegt darin nicht ebenfalls ein Affront gegen den Narzißmus der Selbstbestätigung und seine Übertragungsrenditen zwischen Ich und Welt? Denn selbst wenn Cage Sternpositionen auf Notenpapier über­trägt, stellt diese Negation des Abbildprinzips durch das Abbildprinzip hindurch Bezüge zwischen Musik und Kosmos einzig strukturell her: als eine Analogie zwischen Konstella­tion und Parataxe. Gleichwohl wäre es zu sehr nach der Satzung instrumenteller Vernunft gedacht, hier mit der Figur des Verlusts, gar der Kränkung zu argumentieren und zu übersehen, wie erst jetzt das Unverfügbare zu einer gesellschaftlichen Produktivkraft werden kann: gegen die Vorstellung eines Integrationsfundamentalismus der Wissenschaft, der das Abweichende und Vieldeutige durch deterministische Universalgesetze auszublenden sucht; und gegen die Vorstellung eines ästhetischen Gebots, das das Nicht-Lineare auf Linie bringt und komplexe Randbedingungen auf Null einebnet. Der Suche nach der Weltformel zum Trotz beweist Denken selbst die Grenzen seiner Formalisierbarkeit und entdeckt dabei, daß noch die strengste Logik auf intuitiven Voraussetzungen basiert. Im Extrem stoßen Rationalität und Konstruktion in Wissenschaft und Kunst auf ein Transratio­nales und Unkonstruierbares im Übertragungsprozeß zwischen ihren Metaspra­chen und der Empirie: auf eine Unreinheit, die den mathematischen und ästhetischen Idealisierungsverfahren selbst inhärent ist, wenn auch in beiden Sphären mit einer unter­schiedlichen Toleranzrate. Je purifizierter sich der Esprit systématique einer abgedichte­ten Immanenz gibt, umso hörbarer wird Gödels Rauschen als Grenze der Reinheit und Konsistenz. Und wie die Naturwissenschaft das Unberechenbare nicht mehr ausschließ­lich auf das Konto ungenauer Meß- und Kontrollapparaturen verbuchen kann, so sensibi­lisiert auch der Gang der Musik in den Mikrobereich der Klänge und Strukturen für unent­scheidbare Hörsituationen in einer Polyakustik des Verschiedenen und des Zugleich. Mit einer solchen Abrüstung der Subjektideologie stellen sich Musik und Naturwissenschaft mit offenem Visier dem, was anders ist als sie, und was vielleicht mit einem Ernstnehmen von erster und zweiter Natur zu umschreiben wäre: im Blick auf unbekannte Übertra­gungsrichtungen der Wahrnehmung und des Denkens. Wenn sich bei Hegel die Materialität der Buchstaben und Laute im Gleiten von Schrift und Sprache als stoffliche Schlacke in die Idealität des Begriffs auflöst, protegiert diese Sublimierung eine Art der Übertragung, die schon von der Zeichentheorie her filtert, was im Diskurs zirkulieren darf und vor allem mit welcher Wertigkeit für Theorie und Pra­xis. Daß sich der Begriff nicht bloß episodisch, sondern essentiell in den selbstreferen­tiellen Verunklärungen und Verunreinigungen der Sprache verliert, ist einer Philosophie undenkbar, die die Effizienz des arbeitenden, sich mit sich vermittelnden Geistes einer geistlosen Natur gegenüber monistisch als Motor und Ziel der Emanzipation vorgibt. Trotz Hegels Anspruch auf eine Reflexion der Welttotalität, bleibt seine Philosophie ihrer Rein­heitsvorstellung nach theologisch inspiriert. Bleibt zu fragen, inwiefern auch die elektroni­schen Übertragungsmedien bis hinein in das Ideal der Hochglanzbilder und des klinischen Sound-Designs hegelianisch darin sind, als sie ihren materialen, körnigen, verwundbaren und dunklen Grund ausschließen und selbst als Spielvariante kaum zulassen. Vielleicht weil einzig noch am Grund der Störung, der Diskursbrüche und der streikenden Betriebs­funktionen das Medium als Medium, als Träger der Übertragung erfahrbar würde. Klarheit, Genauigkeit, Beständigkeit sind Leitparameter der elektronischen Spei­cher- und Übertragungstechnik. Während Forschung und Industrie jedoch am optimalen Transfer zwischen Sender und Empfänger und am größtmöglichen Ausfiltern von Unrein­heiten arbeiten, macht die ästhetische Praxis gerade die Irregularitäten und Unberechen­barkeiten des Equipments produktiv: das Rauschen, die Verzerrung, die Gleichlauf­schwankung. Den Gesetzen einer softwaregestützten Zeit und ihrem Ideal einer unzer­störbar reinen Datenreproduktion zufolge wäre ein Stück wie Alvin Luciers I am sitting in a room demnach schlicht ein Desaster. Ein Stück der Verwandlungen, das die Übertragung eines gesprochenen Textes durch das Ausfiltern der Sprachfrequenzen zugunsten der räumlichen Eigenfrequenzen in Klang, in Musik transponiert und damit verunklärt. Verlie­ren sich mit der Prägnanz von Stimme und Sprache allmählich die personalen Merkmale vokaler Unverwechselbarkeit und die Spuren der begrifflichen Semantik als Spuren der Gattung, dann löst sich die Dekonturierung zugleich spielerisch von der Identitätslogik, die Wahrnehmungen eher auf den Begriff bringt als sich ihnen zu überlassen. Auf den Begriff bringen, vom Phänomen abstrahieren: im Fall Luciers könnte das heißen, die extensive Umformungssequenz seines Stücks, die weder im Muster der Kopie noch in dem der Va­riation aufgeht, auf ihren Anfang und ihr Ende und damit auf einen physikalischen Ver­such zu reduzieren: ein Eingriff, der dem Komponisten denn auch von einem Toninge­nieur vorgeschlagen wurde. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts beginnt die ästhetische Praxis Strategien der Störung in die Konvention gängiger Übertragungsmuster einzuschleusen, gegen die mas­senmediale Aufrüstung der Welt zum Event. Zu denken wäre an Mallarmés Kritik der ver­öffentlichten Meinung und sein Aufblenden der „blancs“ als Gegengift der Dichtung. Oder an Prousts Klausur, die die Laterna magica der „mémoire involontaire“ zum Leuchten bringt und mit ihr das Bündnis von Sprache und Eros: „Als ich ein ganz kleines Kind war, erschien mir kein anderes Menschenschicksal aus der biblischen Geschichte so elend wie dasjenige Noahs, wegen der Sintflut, die ihn während vierzig Tagen in der Arche einge­schlossen hielt. Später war ich oft krank, und während langer Tage mußte auch ich in der ‚Arche’ bleiben. Da erkannte ich, daß Noah die Welt nie so gut sehen konnte wie aus der Arche, obwohl sie geschlossen war und Nacht über der Erde lag.“(46) Später wird Jacques Lacan ein partielles Taubwerden des Analytikers in Reaktion auf das „leere Sprechen“ des narzißtischen Subjekts und sein Spiel der Übertragung für nötig halten, „Ohren“ also, „um nicht zu hören“.(47) Medienmilieu Das Anwachsen der audiovisuellen Flut, deren Übertragungsimperative „Du sollst hören! Du sollst sehen!“ trotz ihrer vielfachen Automatisierung strategisch aufwendige Reizver­mittlungen zwischen Ich und Außenwelt abverlangen und Augen und Ohren nicht zur Ruhe kommen lassen, provoziert die Gegenimperative „Du sollst übersehen! Du sollst überhören!“. Im Zeitalter der beschleunigten Sinne werden die künstlerische Evakuierung der Bildräume und die Verweigerung ästhetischer Botschaften zu Metaphern einer Ge­genübertragung gegen die suggestive Rhetorik der Massenmedien und ihre Sinnstiftun­gen. Verflüchtigt sich die elektromagnetische Träger- und Emissionsbasis der digitalen Medien in die Display-Effekte polierter, grundloser Benutzeroberflächen, beginnt in den Künsten das Material selbst zu sprechen. Gleichzeitig verläuft das Sichwiederfinden in den visuellen und akustischen Spiegeln der Unterhaltungselektronik innerhalb eines Sy­stems der Übertragung, dessen konservative Unterfütterung auf den Übertrag des Kon­sumierten als einer ständigen Plusbuchung von Selbstbestätigungsrenditen zielt. Beruhigt wird in erster Linie der auf Wiedererkennungswerte ausgerichtete Habitus der Eingemein­dung und seine Grundfragen „Was ist das?“, „Was soll das bedeuten?“. Wenn aber alles dem Transfer der Ware Kommunikation als informations- und funktionstauglich unterwor­fen sein soll, schrumpft im Kreislauf der Präsenz des Machbaren und der Effizienz dasje­nige, was nicht in der Praxis der Verwertung aufgeht – das Ereignis des Unsagbaren, Un­hörbaren, Unsichtbaren – zur Nichtigkeit eines Phantoms und zum unvermißten Nichts. Deshalb verweisen die Konsistenz der Information und die Auflösung des Sinns als Ex­treme der Übertragung aufeinander. Suchen die Metaphern moderner Kunst und ihre ex­perimentellen Entwürfe Momente einer anamnetischen Kultur zu bewahren, etabliert der massenmediale Ausstoß an Übertragung durch immergleiche Schnittechniken, Erzähl­muster und Moderationsverläufe in immer den gleichen industrialisierten Zeiteinheiten disziplinäre und autoritäre Wertmonopole. Eine Scheinvielfalt der abstrakten Genußsucht insofern – so konkret sie sich auch geben mag –, als sie die Makroebene des Transfers nicht verläßt, zumal die an unerfüllte Sehnsüchte gebundene Sinnstiftung des Narrativen als Ausgleich eines Lebens unter dem Zwang der Frist und der Fristen. Eine Scheinvielfalt aber auch, weil sie im Doubeln sogenannter Realität parasitäre, lebensfeindliche Zeit- und Erlebnisformen erzeugt, gegen die immer wieder Symptome einer Kontingenz durch Übercodierung aufbegehren, Gegeneffekte in Form einer Mischung aus Überdruß, Para­noia und Fantasieverlangen. Etwa wenn die Übertragungswucht Skepsis gegenüber der Authentizität ihrer eigenen Bilder produziert – vom Zweifel an der Mondlandung bis hin zu den Verschwörungstheorien rund um den 11. September 2001. Es bleibt abzuwarten, ob die Spannung zwischen dem Übertragbaren als der In­tention jeder Medialität und dem Diskursresistenten zunimmt, je mehr die Kommunika­tionstechnologie suggeriert, alles wäre übertragbar und damit im Verbund mit anonymen Adressaten womöglich auch delegierbar: im Aussetzen von Verantwortung, dem Gegen­teil von Mündigkeit also. Sind die elektronischen Speichermedien deshalb das zweckge­rechte Instrumentarium enttraditionalisierter Gesellschaften, die verwalten, registrieren, mumifizieren müssen, je mehr die Zeugenschaft von Erzählung und Überlieferung schwin­det und mit ihr die Zeugenschaft tradierter Erfahrung? Technische Übertragungsprozedu­ren in Wechselwirkung mit dem Sensorium der conditio humana: ein ebenso produktives wie problematisches Verhältnis, das schon Becketts Einakter Krapp’s Last Tape auf den Konflikt zwischen Archiv und Erfahrungspräsenz hin zuspitzt; auf einen Kollaps der Über­tragung zwischen vergangener Gegenwart und gegenwärtiger Vergangenheit, bei dem die Wiederholung Züge einer Totenmaske annimmt. Ein alter Mann spielt sich eine Sequenz Leben vor: alljährlich auf Band gesprochene Jahresrückblicke und Erinnerungen; etwa die an ein dubioses Erleuchtungserlebnis, konserviert vor 30 Jahren. Eine Übertragung ge­speicherter Vergangenheit ins Jetzt. Das Tonband: als akustisches Gedächtnis vermeint­lich lebendige Gegenwart und doch nur ein Archiv toter Vergangenheit. Die Mechanik des Vor- und Zurückspulens: Suche und Sucht nach dem Glück des Augenblicks und im Wahn, es dingfest machen zu können, eine sarkastische Parodie auf Prousts „mémoire involontaire“. Die pausenlose Emission von Bildern und Nachrichten erzeugt Apathie. Wenn sich via Fernbedienung Kriegsgreuel, Hungersnöte, Werbung und Showbusineß mischen, ak­tiviert ein solches Irrsinnskaleidoskop der Eindrücke zwangsläufig den Reizschutz der Empathieverweigerung. Im White-out der News und Informationen, überhell und durch die Trübung der Orientierung im Gleißen des Datengestöbers dunkel zugleich, käme es heute eher darauf an, der Sucht nach permanenter Sende- und Empfangsaktivität mit einem Herabsetzen der Dosis an Übertragung und damit der Präsenz von allem und jedem zu begegnen. Um der Midas-Variante der massenmedialen Zirkulation standzuhalten, die alles, was in sie hineingerät, in Sensation und instantane Verfügbarkeit verwandelt, verin­nerlicht die Autonomiewerdung moderner Kunst das Bilderverbot, die Zurückweisung des Anthropomorphismus und das Verlassen intuitiver Wahrnehmungs- und Interpretations­ebenen. Damit kündigt sie zugleich die Übertragungsabfuhr der Katharsis auf, die mittler­weile kulturindustriell verwaltet wird. Neue Kunst selbst wird eher „terrormimetisch und kriegsanalog“(48) von jener sensorischen Gewalt aufgesaugt, wie sie Virginia Woolfs Or­lando auf der Fahrt über die Londoner Old Kent Road am 11. Oktober 1928 erlebt: im Bewußtsein einer zersplitterten Welt und eines „völlig zerschnippelten“ Ichs, das katharti­sche, an der Einheit des sittlichen Charakters entwickelte Wirkungen ins Leere laufen läßt. „Straßen erweiterten und verengten sich. Lange Durchblicke verschmälerten sich beständig. Hier war ein Straßenmarkt. Hier ein Leichenbegängnis. Und hier kam ein Zug mit Spruchbändern, auf denen geschrieben stand: ‚Ra – Un –’, aber was noch? Fleischstücke waren sehr rot; Metzger standen in den Türen. Frauen wurden die Absätze beinahe weggeschnitten. ‚Amor Vin –’, stand über einem Torbogen. Eine Frau sah aus ei­nem Schlafzimmerfenster, ins Schauen vertieft und ganz still. ‚Applejohn & Applebed, Lei­chenbest –’. Nichts war ganz zu sehen oder von Anfang bis Ende lesbar. Wovon man den Beginn sah – wie etwa zwei Freunde, welche einander über die Straße entgegengehn wollten, – davon sah man nie den Schluß. Nach zwanzig Minuten glichen Körper und Geist kleinen, aus einem Sack purzelnden Papierschnitzeln, und tatsächlich ähnelt der Vorgang, im Auto schnell aus London hinauszufahren, so sehr jenem Kleingehacktwerden der Identität, das einer Ohnmacht und vielleicht dem Tod selbst vorausgeht, daß es eine unentschiedene Frage ist, in welchem Sinn man von Orlando sagen könnte, daß sie im gegenwärtigen Augenblick Dasein hatte.“(49) Als Nietzsche inmitten der Zersplitterung und des Übergangs der „Subjekt-Ein­heit“(50) von „Ich“, „Geist“ und „Seele“ in eine „Vielfachheit“(51) die Orientierung am „Leitfaden des Leibes“(52) beschwor, wußte er, wie sehr der Körper bereits zum Übertragungs- und Aus­tragungsort gesellschaftlicher Disziplinierung geworden war. Deshalb konnte Nietz­sches Devise ein Motiv vorgeben, das als Reaktion auf die Automatisierungsraster in­dustrialisierter Wahrnehmung in der Situationskunst von Performance und Installation an Bedeutung gewann. In erster Linie, um gängige symbolische Ordnungen zu verstören und umzucodieren: durch Reizdämpfung und desautomatisierte Erfahrungsprozesse. Ein Quantum Weltentzug, das gegen die Abstraktions- und Eingemeindungsroutine des Co­gito Körperbewußtsein als Praxis setzt. Denn „ein Bewußtsein seiner selbst gewinnt man nur durch ein gewisses Maß an Aktivität und nicht, indem man nur über sich selbst nach­denkt“.(53) Es wäre allzu fatalistisch, mit Blick auf das Ghetto der ästhetischen Sphäre die bis zur Kenntlichkeit entstellten medientechnischen Zurichtungsmuster als unabänderlich zu denken. Daß der Fetischismus der Fakten und die Herrschaft der Bilder als Leitideen ge­sellschaftlicher Übertragung und als „idola fori“ der Massenkommunikation der Not der Zeit meist ihren Namen verweigern, festigt das ‚Kontrollinstrument der Information’(54) und die Geiselnahme der Sprache durch ihre eigene technische Idolatrie. Dennoch: eine Sicht, die das Überwältigungspotential medialer Übertragung mit einem starren Gewaltmonopol der Bewußtseinsformung verwechselt, läuft Gefahr, manches zu übersehen. Um beim Beispiel Sprache zu bleiben: selbst wenn ihre „Abschleifung“ zu einem „verkehrstechni­schen Instrument“ dem „Wort die Zeit versagt“, selbst wenn ihre „Instrumentalisierung“ zu einem ‚Rüstungsmittel’(55) und ihre „operationelle Rationalität“ die „begriffliche Entfaltung blo­ckieren“, Erinnerung auslöschen und der „Unterdrückung von Geschichte zuarbei­ten“(56): noch die in Superlativmanie sich überschlagende Rede signalisiert unter ihrer waren­ästhetischen Einfärbung das Verlangen nach Erfahrung und Konkretion inmitten ei­ner zunehmenden Enteignung von Sinnlichkeit.(57) Desgleichen die Beschwörungsfloskeln des „Eigentlichen, Wirklichen, Echten“, in denen sich Sprachlosigkeit und Tauschresistenz mischen. Trotz der Anpassung an die Logistik der Organisation und des Advertising im Zug ständig erhöhter Zugriffsgeschwindigkeiten; trotz der Übermacht des Greifens im Be­greifen und der Beschränkung auf das Faß- und Handhabbare; trotz eines zeitoptimierten Know-hows zugunsten des Formelhaften, das im Verkümmern des polysemantischen Wechselspiels von Ausdruck und Bedeutung Wörter zu Definitionsgeschossen mit mög­lichst eindeutiger Trefferquote schärft: Lichtenbergs Gedanken, ob womöglich „unsere ganze Philosophie einer falschen Sprache einverleibt ist“(58), auf unsere ganze Politik, auf un­ser ganzes Leben auszudehnen, zeugte vom Glaubensdogma apokalyptischer Prophe­tie und Naivität(59) und einer Unterschätzung des erkenntnislegierten Triebgrunds der Ge­fühle und Wünsche, mögen diese vorerst auch noch so zugerichtet und diszipliniert sein. Schließen wir mit Marshall McLuhan und Paul Valéry und einer Klammer der ge­danklichen Spannung und Korrespondenz: „Im Zeitalter der Elektrizität ist die ganze Menschheit unsere eigene Haut.“(60) – „Das Tiefste am Menschen aber ist seine Haut.“(61) Wenn die elektronischen Medien als Instanzen der Übertragung von Werten, Normen und Funktionsmustern nicht nur Botschaft, nicht nur „message“ sind, sondern auch „mas­sage“(62), wie tief dringen sie dann in und unter die Haut? Sicher tief und doktrinär genug und nicht selten mit der dealerhaften Gewalt von Suchtapparaturen und solchen der Blen­dung und Verblendung, solange sie den Nutzer primär als eine abhängige und zu mani­pulierende Widerstandsgröße im Zeichen des Klischees, der Stereotypie und damit der Kontrolle und des Profits bearbeiten und dem Output von Trivialisierungsmaschinen aus­setzen. Eine solche kommerziell verschleierte Konfrontation verträgt sich nur zu gut mit der Vergötzung und Zerstörung des Ichs in der Arena des Markts. Gegen diesen Antago­nismus zwischen dem Bewußtsein und seinen medialen Filtern entwerfen das dem foto­grafischen Medium parallele und verwandte Aufkommen der Serie in der Kunst seit Cé­zanne und Monet und die Aufsplitterung des Ichs in zahllose Parzellen bei Proust(63) einen anderen Transfer: in Form einer Szene von „Gradverschiedenheiten“, die sich entgegen dem Subjekt-Objekt-Dualismus erst „für ein gewisses Maß von Optik [...] als Gegensätze ausnehmen“(64), und in Form eines Geschehens, das die Spur des Individuellen nicht mehr im Einmaligen und Unverwechselbaren zu erfassen vorgibt, sondern in einer Modulation des nahezu Gleichartigen und eben dadurch erst Unterscheidbaren. Jenseits des Kampf­arsenals der Widersprüche, die zu oft von „der Logik her [...] fälschlich in die Dinge über­tragen “ werden(65), organisiert das Serielle der Serie die Arbeit der Zeit zu einer kaum merkli­chen Fährte des kleinsten Übergangs. In den Serien Feldmans, On Kawaras, Opal­kas, Shermans oder Warhols zeigt sich erst im Kontinuum der minimalen Differenz die Stasis der Veränderung. Hier finden das mediale Bewußtsein und seine Metaphorik eine dem Status quo angemessenere, alles andere als zynische, weil keineswegs wider besse­res Wissen sinn- und subjektverklärende Reflexion zur Diagnose Individualität. Aber auch eine nüchternere, die das polyphrene Zersplittern des Ichs leidenschaftslos kontrapunk­tiert: mit einer Textur der Multiplikation und der Verschiebung ebenso unverwechselbarer wie indifferenter Sujets gegen die Wirklichkeit. Es ist dieses fein geeichte Spiel von Wie­derholung und Differenz, das die Serie zum Memento einer paradoxen Präsenz schärft. Einer Paradoxie des Individuellen nämlich, dessen Anwesenheit in der Hektik der Bilder und Weltkopien nicht mehr ohne seine Abwesenheit zu denken ist: mit dem Tod als jener finalen Störung, die die Sende- und Empfangsarbeit der einzelnen und vereinzelten Sinn­stiftungsagentur Mensch und mit ihr den Taumel der Übertragungen endgültig zum Ver­stummen bringt. Anmerkungen ​ 1 Martin Heidegger, Identität und Differenz, Pfullingen 1978, S. 66. 2 Ders., ebenda. 3 Gilles Deleuze / Claire Parnet, Dialoge, Frankfurt am Main, S. 64. 4 Friedrich Schiller, Kallias, in: Schiller, Sämtliche Werke in fünf Bänden, hg. v. Gerhard Fricke und Herbert G. Göpfert, Bd. 5, München 1984, S. 431 ff. 5 Friedrich Nietzsche, Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne, in: Nietzsche, Kritische Studienausgabe in 15 Bänden, hg. v. Giorgio Colli und Mazzino Montinari, München/Berlin/New York 1980, Bd. 1, S. 879 ff. (Hvhbg. J. B.). 6 Ludwig Wittgenstein, Vorlesungen 1930-1935, Frankfurt am Main 1984, S. 186. 7 Nietzsche, Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne, S. 888. 8 Ders., S. 888f. 9 Paul Valéry, Ich sagte manchmal zu Stéphane Mallarmé, in: Valéry, Frankfurter Ausgabe in 7 Bänden, Bd. 3, Frankfurt am Main 1989, S. 272. 10 Nietzsche, Götzen-Dämmerung, KSA 6, S. 78. 11 Deleuze / Guattari, Was ist Philosophie, Frankfurt am Main 2000, S. 6. 12 Wittgenstein, Vermischte Bemerkungen, Frankfurt am Main 1994, S. 52. 13 Heidegger, Wegmarken, Frankfurt am Main 1967, S. 239. 14 Pierre Simon de Laplace, Philosophischer Versuch über die Wahrscheinlichkeit, hg. v. R. v. Mises, Frankfurt am Main 1966, S. 1 f. 15 Joseph Haydn, Brief an den Verleger Breitkopf vom 12. 6. 1799, in: Georg August Griesinger, Biografische Notizen über Joseph Haydn, Leipzig 1975, S. 83 f. 16 Zürich, Kunsthaus (Vgl. Lionello Venturi, Cézanne, son art, son œuvre, Paris 1936, 801). 17 Marcel Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Frankfurt am Main 1972, Bd. 13, S. 329. 18 Zit. nach John Rothenstein, Turner, Bergisch Gladbach o. J., S. 5. 19 Zit. nach Honoré de Balzac, Das ungekannte Meisterwerk, dtsch. von Heinrich E. Jacob, Zürich 1977, S. 95 ff., sowie nach Balzac, Le Chef-d'œuvre inconnu, Paris 1999, S. 641 ff. 20 Ernst Theodor Amadeus Hoffmann, Des Vetters Eckfenster, in: E. T. A. Hoffmann, Werke in 4 Bänden, Bd. 4, Frankfurt am Main 1967, S. 381 f. 21 Samuel Beckett, Disjecta. Miscellaneous Writings and a Dramatic Fragment, hg. v. Ruby Cohn, London 1983, S. 52 (dtsch. Übstzg. von Friedhelm Rathjen, in: Rathjen, Beckett, Hamburg 1995, S. 13). 22 William Shakespeare, Twelfth Night or what you will, in: Shakespeare, Complete Edition, Augsburg 1995, Bd. 4, S. 39. 23 Valéry, Die fixe Idee, Frankfurt am Main 1965, S. 75. 24 Johann Gottfried Herder, Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit, in: Herder, Werke in fünf Bän­den, Berlin und Weimar 1978, Bd. 3, S. 70. – Zur Terminologie Eudämonismus, Abderitismus, Terrorismus vgl. Im­manuel Kant, Der Streit der Fakultäten, in: Kant, Werke in zwölf Bänden, hg. v. Wilhelm Weischedel, Frankfurt am Main 1968, Bd. 11, S. 352 f. 25 Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher II, in: Lichtenberg, Schriften und Briefe, hg. v. Wolfgang Promies, München 1971, Bd. 2, S. 161 f. 26 Michel Foucault, Die Malerei von Manet, Berlin 1999, passim. 27 Michael Doran (Hg.), Gespräche mit Cézanne, Zürich 1982, S. 88. 28 Helmut Lachenmann, Musik als existentielle Erfahrung, Wiesbaden 1996, S. 402. 29 Wittgenstein, Bemerkungen zur Philosophie (Wiener Ausgabe Bd. 4), Wien 1995, S. 194. 30 Vgl. insbesondere Foucault, Überwachen und Strafen, Frankfurt am Main 1981, S. 251 ff. 31 Gustav Janouch, Gespräche mit Kafka, Frankfurt am Main 1968, S. 205 f. 32 Roland Barthes, Leçon, Frankfurt am Main 1980, S. 34. 33 Martin Baltes und Rainer Höltschl (Hgg.), Marshall McLuhan, Texte, Freiburg 2002, S. 53. 34 Aristoteles, Poetik, Stuttgart 1982, S. 77. 35 Nietzsche, Ecce homo, KSA Bd. 6, S. 343. 36 Stéphane Mallarmé, L´Azur, in: Mallarmé, Sämtliche Dichtungen, München / Wien 1992, S. 32. 37 Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse, KSA Bd. 5, S. 205. 38 Paul Celan, Der Meridian. Rede anläßlich der Verleihung des Georg-Büchner-Preises, in: Celan, Werke Bd. 3, Frankfurt am Main 1983, S. 199. 39 Blaise Pascal, Pensées, in: Pascal, Œuvres complètes, Paris 1954, S. 1113. 40 Johann Wolfgang von Goethe, Gedichte, hg. v. Heinz Nicolai, Frankfurt am Main 1992, S. 613. 41 Johann Georg Hamann, Aesthetica in nuce, Stuttgart 1968, S. 87 ff. 42 Gottfried Wilhelm Leibniz, Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand, Hamburg 1971, S. 220. 43 Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft, KSA Bd. 3, S. 439. 44 Walter Benjamin, Die Aufgabe des Übersetzers, in: Benjamin, Gesammelte Schriften, Bd. IV,1, Frankfurt am Main 1972, S. 9 ff. 45 Goethe, Gedichte, hg. v. Heinz Nicolai, S. 952, sowie Goethe, Die Wahlverwandtschaften, in: Goethes Werke Bd. 6, hg. v. Erich Trunz, München 1977, S. 270. 46 Proust, Freuden und Tage, Frankfurt am Main 1988, S. 11. 47 Jacques Lacan, Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der Psychoanalyse, in: Lacan, Schriften 1, Frank­furt am Main 1975, S. 92. 48 Peter Sloterdijk, Luftbeben. An den Quellen des Terrors, Frankfurt am Main 2002, S. 80. 49 Virginia Woolf, Orlando, Frankfurt am Main 1986, S. 272 f. 50 Nietzsche, Aus dem Nachlaß der Achtzigerjahre, in: Nietzsche, Werke in drei Bänden, hg. v. Karl Schlechta, Bd. 3, Mün­chen 1969, S. 475. 51 Ders., S. 500. 52 Ders., ebenda. 53 Bruce Nauman, Interviews 1967-1988, hg. v. Christine Hoffmann, Dresden 1996, S. 49. 54 Herbert Marcuse, Der eindimensionale Mensch, Neuwied u. Berlin 1967, S. 122. 55 Heidegger, Hölderlins Hymne“Andenken“, in: Heidegger, Gesamtausgabe, Bd. 52, Frankfurt/M. 1982, S. 10 f., 34 56 Marcuse, Der eindimensionale Mensch, S. 116 f. 57 Zu denken wäre hier an Wendungen und Wortmarken wie „in keinster Weise“, „das meistgespielteste Konzert“, „der Film­Film“, „CinemaxX“, „Pavarottissimo“. 58 Lichtenberg, Sudelbücher II, in: Lichtenberg, Schriften und Briefe, Bd. 2, S. 116. 59 Vgl. dazu Jacques Derrida, Apokalypse, Graz – Wien 1985, S. 53 ff. 60 Martin Baltes und Rainer Höltschl (Hgg.), Marshall McLuhan, Texte, S. 151. 61 Valéry, Die fixe Idee, Frankfurt am Main 1965, S. 38. 62 Martin Baltes und Rainer Höltschl (Hgg.), Marshall McLuhan, Texte, S. 9. 63 Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Frankfurt am Main 1972, Bd. 5, S. 203. 64 Nietzsche, Aus dem Nachlaß der Achtzigerjahre, S. 541. 65 Ders., ebenda. ​ ​

  • Johannes Bauer, Neue Musik und Naturwissenschaft

    Unhörbares, Unsichtbares Neue Musik und Naturwissenschaft DeutschlandRadio Be rlin (2004) Johannes Bauer 2. Dez. 2018 Naturwissenschaft der Moderne Unwägbarkeit, Entropie, Thermodynamik, Evariste Galois... ​Dass Einsteins Relativitätstheorie Newtons absolute Zeit in unterschiedliche «Eigenzeiten» auflöst; dass die Quantenmechanik auf Daten verwiesen ist, die eine strenge Voraussagbarkeit unmöglich machen; dass die Chaosforschung ein Verständnis von Prozessen erlaubt, die vormals dem blinden Zufall zugeschlagen wurden: Solche Umwertungen der Neuen Naturwissenschaft finden ästhetische Parallelen auch in der zeitgenössischen Musik. Schon in den Fünfzigerjahren konnte deshalb Karlheinz Stockhausen kompositorische Ereignisse mit Begriffen der Gegenwartsphysik kommentieren und von «statistischer Zeitwahrnehmung», von «Feld» und «Quantelung» sprechen. Bedeutet indes die Nähe Neuer Musik zur Naturwissenschaft lediglich eine methodische Nutzung mathematisch-physikalischer Verfahren? Oder hat die Ähnlichkeit der Arbeit mit Mikrobereichen der Struktur und offenen Systemen etwas mit der Wahlverwandtschaft von Erkenntnismodellen zu tun? A Müsste man ein Charakteristikum für den Pluralismus der Neuen Musik ange­ben, es läge wohl im Eindringen der Kompositionen in akustische und struktu­relle Mikrobereiche. So wie in der Teilchenphysik die einheitsstiftende Wirkung der Schwerkraft ihre Absolutheit einbüßt, so relativiert sich auch in der Musik des 20. Jahrhunderts die scheinbar naturgegebene Konstante der Funktions­harmonik. Und mit ihr die Gravitationsgesetze, die die musikalische Grammatik auf die Makroordnung einer homogenen Zeit hin ausrichten. Newtons «abso­lute, wahre und mathematische Zeit», die «gleichförmig» dahinfließt, ist ihrem Totalitätsanspruch nach auch ästhetisch passee. «Statistische Formvorstel­lung» heißt ein Zentralbegriff, der Karlheinz Stockhausens Musik der Fünfzi­gerjahre bestimmt und damit jenes Prinzip der Wahrscheinlichkeit aufgreift, das die Quantenmechanik vom Determinismus der klassischen Physik unter­scheidet. «Statistische Formvorstellung»: in ihr geht es – was die Intensitäten von Tonhöhe, Dauer, Klangfarbe, Dynamik oder Geschwindigkeit anbelangt – um Skalierungen wie «durchschnittlich, vorwiegend, ziemlich, insgesamt oder annähernd» und um «Grade der Dichte von Tongruppen». Bspl. 1: Karlheinz Stockhausen, Punkte [Tr. 13, 0´06–1´17] [1´11] A Auch wenn Stockhausen seine frühen Arbeiten mit Begriffen der zeitgenössi­schen Physik kommentieren und von «Mikro- und Makrozeit», von «Feld» und «Quantelung» sprechen konnte: die Frage bleibt, ob die Nähe der Musik zur Naturwissenschaft mehr besagt als eine bloß methodische Nutzung mathema­tisch-physikalischer Verfahren; ob also die Ähnlichkeit im Umgang mit statisti­schen Kalkülen und offenen Systemen tatsächlich etwas mit der Verwandt­schaft von wissenschaftlichen und ästhetischen Erkenntnismodellen zu tun hat. Und wenn ja, wie wäre diese Verwandtschaft zu sprechen? ​ ​Bspl. 2: Giacinto Scelsi, Trio à Cordes , 3e mouvement [CD 1, Tr. 7, 0´00–2´44] [2´44] A Giacinto Scelsis Streichtrio und ein Kommentar dazu: B Wir müssen mit der «Substanz von Scelsis Musik zurechtkommen». «Anhalts­punkte wie Thema, Kontrapunkt, Harmonie, Einführung und Entwicklung scheinen dabei nicht relevant zu sein». Es gilt also «Dimensionen zu erstellen, innerhalb welcher eine analytische Wahrnehmung möglich wäre. Die Physik stand zu Anfang dieses Jahrhunderts vor derselben Schwelle. Beim Versuch, das extrem Kleine zu analysieren, [...] erwies sich die traditionelle Physik als unzulänglich». «Ein neuer Weg [...] zeigte sich mit der Quantenmechanik». «Vielleicht könnte» dieser «neue Weg» auch darin «ergiebig sein, Scelsis Mu­sik Begriffen zu unterziehen wie Orbitus [...], Quantensprünge von einer Bahn in die andere [...], Probabilität als eine statistische Annäherung an das Ge­schehen» [...] oder «Interferenz als die Hinzufügung eines Turbulenzelements mit nicht voraussagbaren Resultaten». Demnach können im dritten Satz von Scelsis Streichtrio «die vorübergehend auftauchenden Dis in Takt 11-13 als Interferenzbeispiele angesehen werden, wobei ab Takt 19 die Note sich klar als ein anderer Orbitus bestätigt. In Takt 13 und 48 führt die Geige schnelle Quantensprünge von einer Bahn in die andere aus [...]. Der Wechsel von B- und Dis-Bahnen stellt eine gewisse Anziehungskraft her, [...] gegen welche das Dis ab Takt 56 wie eine andere Art Interferenz erscheint und in den letzten Takten wie ein schwebendes Elektron endet, welches anwesend ist, aber kei­nen wirklichen Einfluss ausüben kann». A Was sich im zweiten Teil dieses Kommentars ereignet, ist gelinde gesagt eine Klitterung, ein kurzschlusshaftes Verschmoren zweier Begrifflichkeiten, der musik- und der quantentheoretischen, ohne Rücksicht auf ihren spezifischen Erfahrungs- und Erkenntnishorizont. Musik indes ist zunächst ein eigenständiges Medium der Reflexion. Selbst wenn Cages Atlas Eclipticalis im Titel auf Astronomie anspielt: seine Komposi­tion liefert keine klingende Himmelskunde mit roten Riesen und schwarzen Lö­chern. Eine 1:1-Übertragung astrophysikalischer Begriffe auf die Musik wäre ebenso konkretistisch wie absurd. Dient Cage die Auswahl von Sterngruppen doch lediglich als Instrument, stellare Positionen grafisch in Noten umzuset­zen. Dass sich über das Motiv der Konstellation Bezüge einer mittelpunktslo­sen Parataxe zwischen Musik und Kosmos ergeben, ist ein anderes Problem. Bspl. 3: John Cage, Atlas Eclipticalis [Tr. 2, 8´03–9´20(ab 9´16 ausbl.)] [1´17] A Natürlich steht außer Zweifel, dass es Gemeinsamkeiten zwischen Neuer Mu­sik und moderner Naturwissenschaft gibt. Allein schon aufgrund zeitgleicher Bewusstseinsressourcen. Dass Einsteins Relativitätstheorie Newtons absolute Zeit in unterschiedliche «Eigenzeiten» auflöst; dass die Quantenmechanik mit Werten arbeitet, die strenge Voraussagbarkeit unmöglich machen; dass die Chaosforschung ein Begreifen von Verläufen verlangt, die vormals dem blin­den Zufall zugeschlagen wurden: solche Umwertungen und Leitgedanken der modernen Naturwissenschaft finden ihre ästhetisch variierten Parallelen auch in der Musik. In Cages Atlas Eclipticalis etwa besagt Gleichzeitigkeit die Zeit­gleichheit unterschiedlicher Eigenzeiten der Interpreten und Klänge; auch in Atlas Eclipticalis unterbindet die nicht im Geringsten voraushörbare Musik jede Spur eines prophetischen Hörens, allein schon, weil jede Aufführung der Sub­stanz nach unwiederholbar ist; und was den Zufall anbelangt: er ist in der Aus­einandersetzung mit Cage das Reizthema schlechthin. Musik und Naturwis­senschaft: Vergleichbarkeit von Wahrnehmung, von Erkenntnis also, keine Gleichheit. Unhörbares, Unsichtbares: was könnte den Weg der Musik und der Wissen­schaft in den Mikrobereich besser charakterisieren? Den Weg ins Innere der Materie, den Weg ins Innere der Töne? ​ ​Bspl. 4: Gérard Grisey, Jour, contre Jou r [Tr. 5, 19´30(aufbl.)–21´30(ab 21´25 ausbl.)] [2´00] A Der Weg ins Innere von Mikrostrukturen bedeutet zunächst das Poröswerden von Sinnorganisationen und Ordnungsdichten auf der Makroebene. Der Bruch der Musik mit dem syntaktischen Sprachcharakter und mit dem, was Adorno «qualitativ artikulierte Zeit» nannte; die Relativierung naturwissenschaftlicher Entwürfe auf kausal determinierter Basis: in beidem zeigt sich ein Wendekreis des Denkens und der Wahrnehmung. Geschlossene Konzeptionen, die sich auf Notwendigkeit gründen, werden auf Offenheit hin gesprengt: im Fall des formal durchhörbaren, gleichsam mitzukomponierenden Organismus des mu­sikalischen Werks ebenso wie im Fall des fundamentalen Konstruktionsni­veaus von Welt und Kosmos im Universum der klassischen Physik. Systeme, deren instabile Anteile eine Dynamik des Chaotischen und Gere­gelten in diversen Mischungsverhältnissen fluktuieren lassen: ihnen begegnen wir auch in den auf wahrscheinlichkeitstheoretischen Verfahren basierenden Kompositionen des griechisch-französischen Komponisten Iannis Xenakis. Und was vorab den technischen Kalkül seiner Arbeiten anbelangt: Wie viele Komponisten begrüßt auch Xenakis die Möglichkeit, über die Anwendungen naturwissenschaftlicher Methoden einen hohen Grad an Komplexität zu errei­chen, und zwar mit einem minimalen Aufwand an Mitteln, etwa dem der Gene­rierungspotenz zellulärer Automaten. B «Angenommen wir haben ein Gitternetz auf dem Bildschirm, mit vertikalen und horizontalen Linien, die zusammen kleine Quadrate, das heißt Zellen, bilden. Diese sind zu Beginn leer. Es ist nun die Aufgabe des Komponisten [...] sie auszufüllen». «In Übereinstimmung mit der Regel, die man aufgestellt hat, er­weckt die ausgefüllte Zelle, sagen wir, eine oder zwei angrenzende Zellen zum Leben. Im nächsten Schritt wird jede Zelle wiederum einen Ton oder zwei Töne erzeugen. Die Regel hilft das ganze Gitter auszufüllen. Das sind die zel­lulären Automaten. Es sind sehr einfache Regeln, mit denen sehr große Flä­chen strukturiert werden können»: «ein iterativer, dynamischer Prozess, der zu sehr reichhaltigen Ergebnissen führt». Bspl. 5: Iannis Xenakis, Ioolkos [Tr. 4, 0´00–1´24 (ab 1´19 ausbl.)] [1´24] A Die Vielfalt mathematischer Operationen, die Xenakis kreativ in Musik umsetzt, sensibilisiert für die Statistik von Massenphänomenen, deren Sprache Natur und Kultur in gleicher Weise sprechen: das Zirpen der Zikaden ebenso wie die Geräuschcluster der Industriegesellschaft. Statistik meint hier die Organisation von Prozessen im Spannungsfeld zwischen regellosen Turbulenzen und de­terministischen Gesetzmäßigkeiten. Xenakis komponiert die Macht von Struk­turen zwischen Statistik und Einzelfall aus: in einer Vernetzung deterritorialisie­render und reterritorialisierender Kräfte ohne feste Trennschärfe. Komponieren wird zum Ereignisraum von Steuerungsprozeduren, die nicht mehr jedes De­tail, sondern Möglichkeiten organisieren. Der Habitus des alles beherrschen­den Autors, der jedem Ton als Einzelton seinen unverrückbaren Ort zuweist, hat sich zur Abkehr vom Subjektmonopol gewandelt. Diese Abkehr sprengt auch die finale Zielfixiertheit zugunsten ständiger Symmetriebrüche, die die Macht der Zeit spüren lassen und sich ihr zugleich widersetzen. Symmetrie­brüche, die die Schichtung und Folge gelenkter und offener Aktionen assozia­tiv zwischen naturhaften Eruptionen und gesellschaftlichen Konfliktszenarien changieren lassen. Vor dem Horizont moderner Angst- und Gewalterfahrung bricht sich musikalische Technik im fortgeschrittensten Stand der Naturwis­senschaft, um gerade dadurch das Archaische, das Ekstatische und Ver­drängte im Triebgrund der Zivilisation freizulegen. Bspl. 6: Iannis Xenakis, Jonchaies [Tr. 6, 11´01(aufbl.)–15´03] [4´02] A Mit dem Phänomen der Eigenzeiten zersplittert die Relativitätstheorie jene Ganz­heit, die Newtons «absolute Zeit» über das Prinzip der Gravitation für immer und für alle Bereiche konsolidiert zu haben glaubte. Gab die «absolute Zeit» nicht allen Ereignissen das Maß ihrer Gleichzeitigkeit vor, ohne doch zugleich aufgrund der zeitsymmetrischen Naturgesetze mehr zu sein als ein bloßes Ornament? Versprach nicht der Determinismus, aus der Gegenwart heraus jeden möglichen Zustand der Zukunft berechnen zu können? Jeden­falls lief der mechanistische Sinngenerator in Laplaces Essai philosophique sur les probabilités von 1814 auf Hochtouren: B «Eine Intelligenz, welche zu einem bestimmten Zeitpunkt alle in der Natur wir­kenden Kräfte sowie die gegenseitigen Lagen der sie bildenden Elemente kennte und überdies umfassend genug wäre, um diese Größen der Analysis zu unterwerfen, würde in derselben Formel die Bewegungen des größten Weltkörpers wie des leichtesten Atoms erfassen; nichts würde ihr ungewiss sein, und Zukunft und Vergangenheit wären ihrem Blick gegenwärtig. Es lässt sich eine Stufe der Naturerkenntnis denken, auf der sich der ganze Weltvor­gang durch eine mathematische Formel darstellen ließe, durch ein System von Differenzialgleichungen, aus dem sich Ort, Bewegungsrichtung und Ge­schwindigkeit jedes Atoms im Weltall zu jeder Zeit ergäben.» A Gegenüber dem «laplaceschen Dämon» – und wäre nicht auch zu sagen: ge­genüber dem ‹beethovenschen Dämon› – lassen Neue Physik und Neue Mu­sik solche Exaktheitsvorstellungen und Allmachtsfantasien nicht mehr zu. Ort und Geschwindigkeit sind im atomaren und subatomaren Bereich nicht gleich­zeitig mit beliebiger Genauigkeit zu messen. Mit der Konsequenz, dass die Ungewissheit gegenwärtiger Zustände sich nunmehr auch auf die Berechen­barkeit künftiger Zustände auswirkt. Dies scheint für makroskopische Ressorts nur so lange ohne Interesse zu sein, solange übersehen wird, wie sehr sich Änderungen der Mikroebene zu unkalkulierbaren Turbulenzen der Makro­ebene aufschaukeln können. Mit dem Ende des Determinismus und mit der Sensibilität für minimale Faktoren werden austarierte Ordnungen zur Aus­nahme. Von nun an hat die Intention einer ebenso exakten wie universalen Entscheidbarkeit und Berechenbarkeit etwas mit der selektiven Kontrolleffi­zienz des messenden Subjekts zu tun, das in der Prinzipienharmonie der Na­turkausalität seiner göttlichen Spur innezuwerden glaubt; vergleichbar den Konstrukteuren auratisch geschlossener Werkorganismen in der funktions­harmonischen und syntaktischen Musik. In der global vernetzten Welt indes liegt die politische Brisanz der Systemfragilität auf der Hand, mögen die Kon­zepte von Ökonomie und Politik auch nach wie vor makroskopisch vergröbert sein, nicht ganz unähnlich den makroakustisch geeichten Ohren gängigen Hörbewusstseins. Bspl. 7: Gerald Eckert, Nachtschwebe [CD 2 / Tr. 1, 10´59(aufbl.)–12´23] [1´24] A Nachtschwebe : Ein Orchesterstück von Gerald Eckert, komponiert 1997/98 und zweifellos beeinflusst von Theorien der Chaosforschung, die sich mit der Auswirkung kleinster Unwägbarkeiten auf die Balance eines Systems befas­sen. B «Einer der formalen Aspekte» meines «Orchesterstücks Nachtschwebe ist der Zustand der ‹Schwebe›. Dabei meint ‹Schwebe› im engeren Sinn einen Gleichgewichtszustand, der allgemein gefährdet ist und sich äußerst labil ver­hält». «Auf musikalische Strukturen übertragen durchdringt dieser Aspekt die formalen Strukturen und die Klangästhetik des Werkes, z. B. die Generierung einer Klanglichkeit, deren [...] brüchige und instabile Formen Unvollständigkeit – im Sinne des fehlenden Gleichgewichtes – implizieren». «Auf der Struktur­ebene generierte ‹Schwebezustände› erzeugen auf musikalischer Ebene Dehnungen und Kontraktionen, es entstehen verschiedene Grade von Nähe und Entfernung, von Distanzen, sowohl bezogen auf harmonische Strukturen, als auch auf die Ausdehnungen der mikrozeitlichen Momente. Diese Mikro­strukturen bilden die in sich nicht starren und geschlossenen Zeitgefüge, die [...] auf Kommendes verweisen und Zurückliegendes – reflexiv – aufdecken». A Eckert geht es um die Stabilität und Fragilität eines offenen Systems, mag des­sen Offenheit auch einem geschlossenen, jederzeit wiederholbaren Werk­organismus eingebunden bleiben. Gleichwohl wird die Musik schon deshalb nicht zu einem ästhetischen Ableger der Systemtheorie, als sie die Erinnerung an die expressive Subjektrhetorik wachhält, ohne sie rhetorisch auszukosten. Im Phasenraum der komponierten Energien verschattet sich der vormals so enge musikalische Bezug zwischen Ausdrucksgestus, Sprachcharakter und Subjektspur, während die Prozessdynamik umgekehrt wie schemenhaft ver­wischt wirkt. Musik wird zur «Schwebe» von Ereignissen, die nicht mehr in ei­ner durchhörbaren Ordnung zu verorten sind. War Zeit in der klassischen Phy­sik wie in der tonalen Musik die Kraft einer geregelten, wenn auch individuell zu meisternden Scheide- und Kombinationskunst, wird sie nun zu einem Me­dium des Unwägbaren: in eins erzeugt und aufgesaugt von den Fliehkräften divergenter Kraftlinien, komplex im Ausfiltern von Energieniveaus. Bspl. 8: Gerald Eckert, Nachtschwebe [CD 2 / Tr. 1, 12´24–14´27] [2´03] A Offene Systeme also. Musik hat es jetzt mit der Polyakustik von Zeit- und Raum­gefügen und mit einer Unschärferelation zu tun, die der Komponist Peter Ablinger bildhaft am Phänomen wirbelnder Schneeflocken beschreibt: B «Direkt vor meiner Nase sind es jeweils nur wenige Flocken, die herunterfal­len, ich kann jedenfalls einzelne Flocken isoliert längere Zeit verfolgen». «Im Mittelgrund kann ich die Flocken nur mehr in Gruppen und Strukturen wahr­nehmen, wohl noch bemerkend, dass sich diese Strukturen aus einzelnen Flo­cken zusammensetzen». «Als Nächstes nehme ich die Überlagerung selbst wahr; eine netzartige Struktur, die einzelne Richtungsabweichungen nicht mehr erkennen lässt, sondern – ganz im Hintergrund – nur mehr die Sugges­tion des Fallens. Ich sage Suggestion, denn wäre nicht der Hintergrund von diesem Fallen ständig übermalt, ich könnte auch denken [...], es ist nur mehr eine stehende, aber flimmernde, pulsierende Fläche.» Bspl. 9: Peter Ablinger, Weiß / Weißlich [Tr. 6(ganz=0´40) + 7 (0´00-0´35)(ab 0´30 ausbl.)] [1´15] A Mit der Naturwissenschaft ihrer Epoche teilt Neue Musik den Abschied von intui­tiven Zeitvorstellungen. Wenn Zeit und das Bewusstsein von ihr stets auch Produkte der Sprache sind, dann bricht gegenwärtiges Komponieren gängige Zeitmodelle als eine besonders hartnäckige Sorte verstandesmäßiger Hypno­tisierung: Modelle wie das vom augenblickssummierenden Kontinuum oder das kausaler Linearität. Stattdessen sensibilisiert Musik heute für die Energie des Unberechenbaren. Dass das Irreduzible zeitgenössischer Kompositionen dem Zeitaspekt nach auf eine Komplexität verweist, bei der das kausal trai­nierte und am voraus- und durchhörbaren Werk geschulte Bewusstsein ins Leere läuft, ist dafür ein erstes Symptom. Bspl. 10: Michael Reudenbach, Szenen , Standbilder [CD1 / Tr. 10, 3´58–5´58] [2´00] A Ein anderes Symptom für die Energie des Unberechenbaren liegt darin, dass Werke Neuer Musik nicht mehr formalisierbar sind. Nehmen wir ein Extrem: In Kompositionen des methodischen Zufalls hinterlässt die Musik nicht einmal mehr eine grafische Spur – in Form einer Partitur etwa –, von der aus sich der Weg der Komposition und der Ort des Hörens bestimmen ließe. Das kompo­sitorische Konzept der Musik lässt sich nicht komprimieren, außer – fragmen­tarisch – durch weitere Aufführungen, die ihrerseits wieder auf weitere Auffüh­rungen ad infinitum verweisen: Vergleichbar jenen Formationen des determi­nistischen Chaos, deren Struktur einzig durch den womöglich unendlichen Ablauf des Systems fassbar wird. Wie bei der Musik variabler Formen kann die volle Beschreibung des Systems allein durch die Realisierung des Systems erfolgen. Zudem ist jede avancierte zeitgenössische Komposition insofern komplex, als sie, mathematisch gesprochen, nicht reduzierbar, nicht in einer allgemeinen Nomenklatur stenographierbar ist. Im Unterschied zur Musik der dur-moll-tonalen Epoche, die, wenn auch nicht dem Gehalt so doch der Faktur der Werke nach, auf der Metaebene eines verbindlichen Analyseinstrumenta­riums zu skizzieren ist: auf der Metaebene der Harmonie-, der Kontrapunkt-, der Rhythmus-, der Motivlehre. Dass eine Klaviersonate Beethovens per Harmonielehre formalisierbar ist, heißt natürlich nicht, Beethoven habe reduktionistisch komponiert. Und doch ist die Formalisierbarkeit einer Musik nicht äußerlich, die in ihrer Genialität et­was von Muster und Puzzle, etwas von der Beherrschbarkeit eines jeden De­tails und eben darin etwas vom laplaceschen Dämon an sich hat. Erst von der Neuen Musik her werden die Ausschlussverfahren der tonalen Musik hörbar: als Ausschluss des Chaotischen, des Zufalls, des Unreinen oder positiv formu­liert: als Konzentration auf den affektiven Sprachgestus, seine Symbolik, seine Zeitkonsistenz. Erst das Neue in der Musik wie in der Naturwissenschaft eröff­net den Diskurs darüber, was die klassischen Modelle sagen können und was sie verschweigen müssen. Auch wenn die Musik der tonalen Ära ein ungeheu­res Repertoire an Innovation und Experiment aufweist: ihre Art der Codierung berührt sich ein Stück weit mit der klassischen Physik und ihrer Rückführbar­keit komplexer Zusammenhänge auf fundamentale Gesetze. Erinnern wir uns. Der Weg in die Tiefenstruktur führt über das Infragestellen etablierter Basisverständigungen. Für die neuere Hirnforschung beispielsweise heißt das, jene Sinnagenturen im Mikrokosmos des Gedächtnisses zu analy­sieren, die mit der Erzeugung von Kausalität und Kohärenz, mit der Erzeugung von Zeitstrukturen also, unser Bild von Wirklichkeit formen. Wie arbeitet das Gehirn als selbstreferenzielles System? Und welche Konsequenzen hat die Einsicht in den Konstruktivismus unserer Wahrnehmung für eine Theorie des Subjekts als kulturelles Konstrukt? Vergleichbare Sondierungen der Tiefenstruktur finden sich auch im zeitgenös­sischen Komponieren. War Musik die Jahrhunderte hindurch eine hohe Schule des Gedächtnisses, thematisiert sie nun das Gedächtnis selbst: seine Vernet­zungsarbeit, seine Zeitfenster, seine Leerstellen. Der ‹große Maßstab› in Morton Feldmans späten Kompositionen etwa verflüchtigt das Sensorium von Gegenwart, Erinnern und Vergessen zum Nullsummenspiel «verfälschter As­soziationen». Zeit und Identität beginnen zu oszillieren. Musik versiegelt sich gegen die subjektive Innerlichkeitsform eines Gedächtnisses, das sich seiner erst in einer «disorientation of memory» bewusst wird. Natürlich ist Feldmans Musik kein neurobiologischer Versuch, auch wenn sie die Ordnungsfilter des Gedächtnisses durchsiebt und erkennungsdienstliche Hörgewohnheiten außer Kraft setzt. Sofern jedoch Feldmans jeder industriali­sierten Zeitempfindung zuwiderlaufende Stücke Form als ein zerleg- und be­herrschbares Terrain deformieren und transformieren und damit das Weiße des Gedächtnisses zirkulieren lassen, führen sie ins Innere des Zeitsinns. Ge­dächtnis reimt sich auf Genese. Es zehrt sich auf, indem es sich erzeugt. Mu­sik, so der Komponist, wird «abstrakt». ​ ​Bspl. 11: Morton Feldman, String Quartet (II) [CD 2 / Tr. 1, 8´07–11´20 (ab 11´15 ausbl.)] [3´13] A Konstruktivistisch gleichsam verschiebt Feldmans Komponieren den musikali­schen Sinn gegen den Sinn, indem es Musik daran hindert, syntaktisch zu ge­rinnen. Mit dem Verwischen solcher syntaktischen Sinnspuren im Modulieren von Mikrovarianten aber bricht Musik mit den Integrationsleistungen des Ge­dächtnisses auch die Kontrolle des Ohrs. Sie dekonturiert den rezeptiven Or­tungssinn in einer Weise, die an die Unschärfe des Beobachtens im quanten­physikalischen Kosmos erinnert. Hören nähert sich einem ungedeckten Ge­schehenlassen, einem Zuhören an, das «auftauchen» lässt, statt das Kompo­nierte ständig auf das Einheitsverlangen der «produktiven Einbildungskraft» zu recodieren. A Es war kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, als Sigmund Freud die «großen Kränkungen» thematisierte, B die die «Menschheit im Laufe der Zeiten von der Wissenschaft erdulden» musste. «Die erste, als sie erfuhr, dass unsere Erde nicht der Mittelpunkt des Weltalls ist». «Die zweite dann, als die biologische Forschung das angebliche Schöpfungsvorrecht des Menschen zunichte machte, ihn auf die Abstammung aus dem Tierreich und die Unvertilgbarkeit seiner animalischen Natur ver­wies». «Die dritte und empfindlichste Kränkung aber soll die menschliche Grö­ßensucht durch die heutige psychologische Forschung erfahren, welche dem Ich nachweisen will, dass es nicht einmal Herr ist im eigenen Hause, sondern auf kärgliche Nachrichten angewiesen bleibt von dem, was unbewusst in sei­nem Seelenleben vorgeht». A Stand indes nach diesen Kränkungen nicht noch eine weitere an? Eine Demüti­gung nicht nur durch, sondern für die Wissenschaft selbst? Erkennt­nisse wie die in Einsteins Relativitätstheorie, dass es keinen vor allen anderen ausgezeichneten Bezugspunkt der Zeit gebe, oder die von Gödels Unvollstän­digkeitstheorem, dem vielleicht wichtigsten logischen Beweis des letzten Jahr­hunderts, dem zufolge kein mathematisches oder logisches System zugleich vollständig und konsistent sein kann, da es immer Aussagen enthält, deren Wahrheitswert mit Mitteln des Systems weder bewiesen noch widerlegt wer­den kann; des Weiteren all die nicht hintergehbaren Grenzen von «Wahr­scheinlichkeit» und «Unbestimmtheit» in der Quantenphysik und Systemtheo­rie, kurz: das Offene der nachklassischen Naturwissenschaft – ist dies alles nicht auch als eine «Kränkung» zu begreifen? Oder, um auf die Musik zu kommen, der Bruch mit der homogenen Zeit, mit dem affektiven Erlebnisstrom, mit dem subjektzentrierten Sprachcharakter: liegt darin nicht ebenfalls ein Af­front gegen die Intuition und den Narzissmus des Gefühls und der Selbstbe­stätigung? Und doch wäre es zu sehr nach der Direktive instrumenteller Vernunft ge­dacht, hier mit der Figur des Verlusts, gar der Kränkung zu argumentieren und zu übersehen, wie erst jetzt das Unverfügbare zu einer gesellschaftlichen Pro­duktivkraft werden kann: Gegen das universal verfügende Integrationsideal der Wissenschaft, das das Abweichende und Vieldeutige mit statischen Universal­gesetzen in Schach hält; und gegen ein ästhetisches Gebot, das das Nicht-Li­neare auf Linie bringt und komplexe Randbedingungen auf Null einebnet. Der Suche nach der Weltformel zum Trotz beweist Denken die Grenzen der Formalisierbarkeit des Denkens und entdeckt dabei, dass noch die strengste Logik auf intuitiven Voraussetzungen basiert. An ihrem Extrem stoßen Ratio­nalität und Konstruktion in Wissenschaft und Musik auf ein Rauschen, das den mathematischen und musikalischen Idealisierungsverfahren selbst inhärent ist. Und wie die Naturwissenschaft das Unberechenbare nicht mehr ausschließlich auf das Konto einer unscharfen Mess- und Kontrollapparatur verbuchen kann, so sensibilisiert auch der Gang der Musik in den Mikrobereich der Klänge und Strukturen für unentscheidbare Hörsituationen in einer Polyakustik des Ver­schiedenen und dessen Gleichzeitigkeit. Mit einer solchen Abrüstung der Subjektideologie stellen sich Musik und Naturwissenschaft gleichsam mit offe­nem Visier dem, was anders ist als sie, und was vielleicht mit einem Ernst­nehmen von erster und zweiter Natur zu umschreiben wäre. Bspl. 12: Isabell Mundry, no one [Tr. 2, 2´30(aufbl.)–3´52] [1´22] B «Die Zwölftontechnik zusammenzudenken mit dem Kindergefühl vor der But­terfly im Grammophon: darum müsste musikalische Erkenntnis ernsthaft sich mühen.» A Ein Aphorismus Theodor W. Adornos aus dem Jahr 1929. Und heute? Beset­zen Reflexion und Emotion im funktional zersplitterten Leben nicht weiterhin extreme Pole wie einst schon in Schillers Zeitdiagnose von 1795? Das Ghetto der Neuen Musik und die Inflation einer Musik des Sich-Fühlens und -Spürens, des großen wie des vermeintlichen Passionato könnten dafür sprechen. Oder sind mittlerweile sämtliche komponierten Klänge Signale im kalten Äther eines Weltbewusstseins, dem zufolge, so der französische Biochemiker Jacques Monod, B «der Mensch endlich aus seinem tausendjährigen Traum erwachen und seine totale Verlassenheit, seine radikale Fremdheit erkennen muss. Er weiß nun, dass er seinen Platz wie ein Zigeuner am Rande des Universums hat, das für seine Musik taub ist und gleichgültig gegen seine Hoffnungen, Leiden oder Verbrechen». A «Bye-bye Butterfly» also? Wohl kaum. Und das nicht nur aufgrund der Assozia­tion zu jenem vielberedeten Schmetterlingseffekt, dem gemäß kleinste Ursachen größte Wirkungen haben können. Eher schon aufgrund der Bindung von Musik und Naturwissenschaft an den Sinn- und Bewusstseinsstand ihrer Zeit, über den beide – nicht zuletzt im Medium der Technik – aufeinander be­zogen sind und über sich hinausweisen, in Richtung einer anderen Wahrneh­mung, eines anderen Denkens: Naturwissenschaft, indem sie erkennt, dass ihre Rationalität die Intuition und den Faktor der Grenze nicht zum Verschwin­den bringen kann; Musik aber, indem sie weiß, dass Intuition ohne Reflexion, ohne die Resonanz zum aktuellen Stand der Rationalität einem nostalgischen Gefühlslieferantentum und der Provinzialität zufällt. Bspl. 13: Pauline Oliveros, Bye Bye Butterfly [CD 2/ Tr. 3, 4´03–6´40(ab 6´35 ausbl.)] [2´37] ​ ​Musikbeispiele ​ Bspl. 1: Stockhausen, Punkte [Tr. 13, 0´06–1´17] [1´11] (Stockhausen-Verlag CD 2) Bspl. 2: Scelsi, Trio à Cordes [CD 1, Tr. 7, 0´00–2´44] [2´44] (SALABERT SCD 8904-5) Bspl. 3: Cage, Atlas Eclipticalis [Tr. 2, 8´03–9´20(ab 9´16 ausbl.)] [1´17] (WERGO WER 6216-2) Bspl. 4: Grisey, Jour, contre Jour [Tr. 5, 19´30(aufbl.)–21´30(ab 21´25 ausbl.)] [2´00] (ACCORD SACEM 201952) Bspl. 5: Xenakis, Ioolkos [Tr. 4, 0´00–1´24 (ab 1´19 ausbl.)] [1´24] (col legno WWE 20504) Bspl. 6: Xenakis, Jonchaies [Tr. 6, 11´01(aufbl.)–15´03] [4´02] (col legno WWE 20504) Bspl. 7: Eckert, Nachtschwebe [CD 2 / Tr. 1, 10´59(aufbl.)–12´23] [1´24] (col legno WWE 2CD 20055) Bspl. 8: Eckert, Nachtschwebe [CD 2 / Tr. 1, 12´24–14´27] [2´03] (col legno WWE 2CD 20055) Bspl. 9: Ablinger, Weiß / Weißlich [Tr. 6 (ganz)+7 (ab 0´30 ausbl.)] [1´15](Maria de Alvear World Edition 0008) Bspl. 10: Reudenbach, Szenen , Standbilder [CD1 / Tr. 10, 3´58–5´58] [2´00] (col legno WWE 2CD 20055) Bspl. 11: Feldman, String Quartet (II) [CD 2 / Tr. 1, 8´07–11´20 (ab 11´15 ausbl.)] [3´13](hat[now]ART 4-144) Bspl. 12: Mundry, no one [Tr. 2, 2´30(aufbl.)–3´52] [1´22] (WERGO WER 6542-2) Bspl. 13: Oliveros, Bye Bye Butterfly [CD 2/ Tr. 3, 4´03–6´40(ab 6´35 ausbl.)] [2´37] (Ellipsis Arts CD 3672) ​ ​

  • Johannes Bauer, Das Öffentliche und das Private

    Umwertungsprozesse der Moderne Das Öffentliche und das Private ​ Wenn Blicke töten könnten, wären manche urbane Areale leerer. Geht man durch die Straßen unserer Großstädte, stirbt man mitunter mehrere Male am Tag. Das visuelle Kampfpotenzial ist beträchtlich. Eine Abfuhr der Fremdheit, die den Andern und im Andern sich selbst attackiert. Eine Abfuhr, zu vielschichtig, um in purer Feindseligkeit aufzugehen. Seitdem sich mit Beginn des Industriekapitalismus und seiner rastlosen «Verwertung des Werts» die Bewältigung des sozialen Drucks zunehmend privatisiert hat, nimmt auch das Kursieren des Ichs im öffentlichen Raum den Ausdruck von Gleichgültigkeit und Härte an. Und seitdem eine Öffentlichkeit, in der man die Contenance verlieren kann, nicht mehr existiert, kann auch die namenlose Betriebsamkeit dieser Öffentlichkeit vom Einzelnen nur noch momenthaft durchbrochen werden. Mit jener Ambivalenz von Nähe und Ferne etwa, mit der der aggressive Blick en passant die Anonymität verstört: Ein Signal der Kommunikation und zugleich eines ihrer Abwehr, anklagend und vernichtend, während das getroffene Gegenüber im Augenblick der Attacke schon wieder entschwunden ist. Solche punktuellen Kreuzungen von Anwesenheit und Abwesenheit sind charakteristisch für die Schnitte und Überlagerungen des Privaten und Öffentlichen in der Moderne. Für die Gegenwart geben gesellschaftskritische Diagnosen wie die der Frankfurter Schule oder Extremtheorien wie die Jean Baudrillards einer offenen Vermittlung von Privatheit und Öffentlichkeit kaum noch Raum. Wenn die Verwertungsmaschinerie des Kapitals und die Verwaltungsregie der Bürokratie, wenn die Schablonisierung der Medienindustrie und die Normenhörigkeit des autoritären Charakters einander zuarbeiten – zumal über die Entqualifizierung des Besonderen –, wo wäre dann noch von Öffentlichkeit und Privatheit im Zeichen von Autonomie und Mündigkeit zu reden? Für Baudrillard dagegen zirkuliert das Selbstläufertum von Dingen und Ereignissen – freigesetzt im »Hyperraum der Simulation« – ortlos, wahllos und ohne Konsequenzen, um unentwegt in einer fraktalen Wüste des Sozialen mit immergleichen Mikroformen und der Gleichgültigkeit der schweigenden Mehrheit zu kollabieren. Dieses Schweigen zusammen mit der Aufrüstung des Privaten in einer alles psychologisierenden »Tyrannei der Intimität« ist für Richard Sennett Grund genug, generell vom »Verfall und Ende des öffentlichen Lebens« zu sprechen.(1) Mit Blick auf die Paradoxie einer gleichzeitigen Präsenz und Vereinzelung der Menschen im öffentlichen Raum hat sich freilich nur verlängert, was schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den Metropolen Paris oder London zu beobachten war. »Man geht kalt aneinander vorüber; man windet sich in den Straßen durch einen Haufen von Menschen, denen nichts gleichgültiger ist als ihresgleichen«.(2) Dass es deshalb gerade in der Industriegesellschaft zur Kultivierung und Überfrachtung refugialer Schutzzonen kommt, vorrangig der der Familie, ist kaum verwunderlich. Je mehr die öffentliche Sphäre von der Undurchschaubarkeit und Feindlichkeit eines unberechenbaren Markts zersetzt wird, umso mehr steigert sich die Ritualisierung des Privaten. Und doch zeigt sich auch hier, dass die Maske des Privaten im Kult von Ich und Selbst ohne ihre Entlarvung nicht zu denken ist. Von Montaigne bis zu Rimbaud und Lacan ist das Ich von seinem Anderen entweder nur durch eine hauchdünne Zeit- und Bewusstseinsspalte getrennt oder gar selbst imaginär. »Ich komme mir vor wie ein Ort, an dem etwas geschieht, an dem aber kein Ich vorhanden ist. Jeder von uns ist eine Art Straßenkreuzung, auf der sich Verschiedenes ereignet.«(3) ​ (Tele-)Visio Dei Öffentlichkeit ist ein bürgerlicher Begriff, relevant erst seit dem 17. Jahrhundert. Wobei Öffentlichkeit als Singular selbst schon eine Abstraktion sein dürfte. Real gibt es wohl nur Öffentlichkeiten, die ihrerseits wieder kaum fest zu konturieren sind. Selbst heute erzeugen medial fokussierte Katastrophen wie der Anschlag auf das World Trade Center eine Weltöffentlichkeit, in der das Geschehen sofort in individuell und kulturell unterschiedliche Wahrnehmungen zersplittert. Dass jedoch Öffentlichkeit durch freie Meinungsäußerung auf eine Weise produziert wird, in der die Manipulation durch selektierte und unterdrückte Nachrichten so weit als möglich unterbunden ist, setzt die Relation zwischen Öffentlichkeit und radikaler Demokratie voraus. Diese Relation wäre das Gegenteil einer Herstellung von Öffentlichkeit durch die veröffentlichte Meinung massenmedialer Informations- und Kontrollagenturen, die die Rechte einer mündigen Allgemeinheit im Interesse der Medienindustrie beschränken – unter Verkehrung des Verhältnisses von Autonomie und Abhängigkeit und unter Verkehrung der öffentlichen Bedeutung von Ereignissen: beides Kennzeichen einer Entpolitisierung, in der das Persönliche öffentlich und das Öffentliche privat wird. Schwingt im Öffentlichen das Offene und im Privaten das Privative mit, dann erfahren diese Tendenzen im profitverfilzten Öffentlichkeitsbegriff etwa des Privatfernsehens eine ihrer exemplarischen Umwertungen. Nachdem zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Wendung von der Europamüdigkeit die Runde gemacht hatte, bei Nietzsche dann von einer Müdigkeit am Menschen, bei Hofmannsthal schließlich von einer am Wort und am Urteil die Rede war, grassiert heute eine Müdigkeit am Politischen. Die supranationale Vorherrschaft ökonomischer Machtbelange bewirkt Gleichgültigkeit und Apathie gegenüber einer nationalen Verwaltungspolitik im Schlepptau der Wirtschaft. Und während die politische Agora sich in Parlamentsdebatten nach Drehbuch aufzulösen beginnt, präsentiert der massenmediale Diskurs mit der Richtungsdirektive vom Sender zum Empfänger die Tribüne für eine diffuse Allgemeinheit, die von relevanten Entscheidungen ausgeschlossen bleibt. Um eine räsonierende und resonierende Öffentlichkeit, in der sich das Private aufgehoben fühlen könnte, ist es demnach schlecht bestellt. Die Behauptung jedoch, Öffentlichkeit und mit ihr das Private verschwände im Informationspool einer Telekratie, die sich mit der Disziplinierung der Individuen auf dem Niveau größtmöglicher Anpassung kurzschließe, unterschätzt die Widerstände. Die Atemnot des Lebens inmitten einer ebenso dogmatischen wie uniformen Akkumulation um ihrer selbst willen ist stets noch spürbar. Oft genügt schon ein Blick auf die verhärmten Gesichter vor gut sortierten Warenbergen. Und dass die politische Rhetorik einer nüchternen, wenn auch oft allzu pauschalen Realitätsprüfung unterzogen wird, steht ebenfalls außer Zweifel. War Öffentlichkeit einstmals an Sichtbarkeit und bürgerliche Streitkultur gebunden, wird sie nun in einer Blindheit erfahren, die auf das Private zurückwirkt: Im Zeichen eines Privatisierungsschubs aus Überdruss, der gleichwohl subversive Gegenmomente in einer zweiten Kultur der Mischungen und Vernetzungen hervorbringt. Wie sehr etwa in der mittelpunktslosen Streuung des Internets die Potenz einer Gegenöffentlichkeit liegt, ist ein Allgemeinplatz. Konkreter und brisanter wird dieser Allgemeinplatz allerdings, wenn man ihn von der religiösen Emanationsstruktur des Fernsehens her versteht, das Öffentlichkeit erst über eine Privatisierung der Geschehnisse herstellt. Der theologische Faktor der Television indes lässt sich an Nikolaus von Kues' 1453 formulierter De visione Dei beispielhaft studieren. In diesem Initialtext einer neuzeitlichen Logik der Visualisierung wählt Cusanus die zeitgenössische Malerei als Leitmotiv seiner Gleichnisrede, speziell die Kunst, den Blick des Porträtierten, hier der Imago Christi, jedem Betrachter beständig an jeden Punkt des Raums folgen zu lassen: als ein »Bild des Allsehenden«, das mit der »Beweglichkeit des unbeweglichen Blicks« nach »allen Seiten zu sehen scheint«.(4) Als theós wird Gott der griechischen Etymologie gemäß zu einer Instanz, die alles sieht und alles durchläuft. Diese Potenz des Durchmessens und Durchdringens nun dynamisiert die »Visio Dei« zu einer Optik des Auge in Auge, in der sich die operationalen Muster der Tele-Visio(n) als eine Säkularisierung des göttlichen Blicks zu erkennen geben. Dass der »Deus perfectissimus« unentwegt und frei von jeder Beschränkung alles sieht, dass sein Blick Raum und Zeit überwindet, dass schließlich die Essenz des »Sehens« als »Verursachen« gedacht wird – diese Parameter finden sich auch im Fundamentalismus der TV-codierten Optik wieder: in ihrer Macht der Beeinflussung, ihrer Zensur- und Kontrollpräsenz, ihrem Zeit- und Raumdistanzen sprengenden Panoptikum und ihrer Öffentlichkeit erzeugenden Epistemologie. Beerbt vom Evangelium der Information gehen göttliche Allwissenheit und Allmacht an die Agenturen der News über, an die Heiligkeit der Fakten und an die Sendungsmacht der Bildübertragung, ausgestrahlt in die Köpfe einer passiv empfangenden Massengemeinde. Und doch wäre es absurd, trotz des Privatisierungssogs die öffentliche Sensibilisierung via Fernsehen für Menschenrechts- und Umweltfragen in Abrede zu stellen: In Zukunft dürften es ökologische Delikte, rassistische Exzesse und scheinlegitimierte Angriffskriege zumindest ihrer Akzeptanz nach schwerer haben. Und so wie die Ausstrahlungstheologie des Fernsehens durch eine Quantifizierung des Angebots und die steigende Nutzung des Internets zumindest dezentralisiert wird, werden pyramidal-hierarchische Sende- und Öffentlichkeitsstrukturen auch in anderen Bereichen aufgebrochen, etwa im Bereich der tradierten Konzertformen und -formationen. Vergleichbar der Television kultiviert auch die Öffentlichkeit des Konzertsaals, die zugleich eine von privat Isolierten ist, aufgrund der Ausgießung des musikalischen Geistes nach einem monokausal vom ästhetisch Numinosen ausgehenden Sende- und Sendungsprinzip theologische Relikte. Als Ort einer Musik der Repräsentation und des Archivs bleibt der Konzertsaal einer Liturgie der Gewohnheit und der Gewöhnung verpflichtet: öffentliche Bühne für ein Publikum, das in immer derselben Musik immer dieselben Dramen erleben und nach Maßgabe seines Gefühlskanons privatisieren will. Dagegen gehört es zum Formenkreis zeitgenössischen Komponierens, vor allem aber zu dem der Klangkunst, die tradierte Konzertform über die Auflösung des Werk- und des frontalen Raumbegriffs zu einer situativen und auf Interaktion angelegten ästhetischen Praxis zu transformieren. Eine Transformation, die genau jene Privatheit der Kontemplation porös werden lässt, die der Organismus des geschlossenen Werks von einem konzentrierten Publikum als Verinnerlichungsrendite verlangt. Indem Klangkunst und Bereiche der Neuen Musik sich auf eine Öffentlichkeit jenseits des Konzertsaals hin öffnen, insistieren sie auf dem Sinn der Sinne – gegen ein zwischen Produzieren und Konsumieren verspanntes Leben, dem dabei Hören und Sehen vergeht. Öffentliche Räume zu bespielen und das Wahrnehmungsvermögen in Aktion zu erforschen heißt demnach auch, den Körper als eine entscheidende Schnittstelle zwischen dem Öffentlichen und Privaten zu verstehen, zwischen einer marktcodierten Öffentlichkeit und dem Subjekt-Reservoir der Wünsche und des Begehrens. »...toucher la vie« Zeit als pure Funktion von Beschleunigung, Raum als pure Funktion von Zeit: Als Wechselwirkung besagt das, Raum wird zum Widerstand der Zeit. In den Städten gilt es den Raum rasant zu durchmessen. Der Blick für seine Qualität ist sekundär. Seine Unwirtlichkeit kann wachsen. Zur realen Metapher für diesen privativen Umgang mit öffentlichem Raum wird jede Fahrt mit der U-Bahn: ein Überwinden der Strecke als Hindernis, ohne dass der Raum, nach Marc Augé ein klassischer »Nicht-Ort«, sinnlich präsent wäre. Und wenn sich dann das Mobile der Züge und das Stationäre der Passagiere in ihrem Innern kontrapunktieren, konturiert diese Doppelung eine Mikrophysik der Öffentlichkeit: Kreuzungen aus gleichgültigen und taxierenden Blicken, das einander Wahrnehmen als strategisches Nicht-Wahrnehmen, jeder visuelle Kontakt ein Risiko. Zur Wirkung kommt der Distanzkodex beobachteter Beobachter, sprachfähig und schweigend, einander sichtbar und separiert zugleich, zufällig aufeinander getroffen und doch eine Wegstrecke lang miteinander im Verbund. Im Tunnel verwiesen auf Immanenz, ohne die Möglichkeit eines Blicks nach draußen. Und über den Köpfen als entlastender Blickfang Bildschirme mit Schlagzeilen und Werbung. Dass körperpräsente Begegnungen aufgrund der modernen Kommunikationsmedien vermehrt durch so genannte Faceless-Kontakte und folglich durch das Nivellieren sozial verorteter Räume überlagert werden, bedingt eine komplexe Brechung interpersonaler Beziehungen. Die Grammatik der angemessenen Distanz zum Anderen, nach der das Ich als Medium des Disparaten Handeln, Sprechen und Schweigen austarieren muss, erfordert infolge der elektronischen Umformungen und Symmetriebrüche des Hier und Jetzt eine neue Balance zwischen körperlicher Präsenz und partieller Entkörperlichung und damit eine Art ins Räumliche übersetzter rites de passage des digitalen Zeitalters, in denen sich die Dialektik von Öffentlichkeit und Privatheit ins Transversale auflöst. Für die Zukunft wäre das Verhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit deshalb eher als ein vielseitiges Vernetztsein in Interferenzen zu denken. Mit einer wünschenswerten Fülle interlinearer Lesarten, die den sozialen Text und Kontext der Gesellschaft auf Zwischenbereiche und Zwischenszenen mit intervenierender Kraft oder auf solche Mischformen des Privaten und Öffentlichen hin ausloten, wie sie noch in den Wohnzimmer- und Küchenkonzerten mit Neuer Musik zu beobachten sind. Erzwungen von den Beschränkungen und Beschränktheiten des offiziellen Konzertbetriebs und sie zugleich unterlaufend. Interlineare Lesarten bedeuten zunächst ein Zwischen-den-Normen-Sein, ein Inter-esse zwischen Privatheit und Öffentlichkeit mit dezentralisierenden Tendenzen. Was in Bernardo Bertoluccis Ultimo tango a Parigi oder in Patrice Chereaus Intimacy , um auf dem Gebiet des Films zu bleiben, als Symptom virulent wird, ist daher nicht nur das privatistische Ausleben einer auf altbekanntem Terrain zum Scheitern verurteilten Obsession. Es ist ebenso die Sucht nach einem Leben, das bis in das Sinn- und Identitätsregime der verbalen Sprache hinein vom Realitätsprinzip des Tauschs befreit sein soll. Deshalb wird Sprache rein somatisch besetzt und in die Zwischensphäre einer äußersten Konvergenz von Nähe und Ferne überführt, in ein Inter -esse jenseits eines auf der Rhetorik von Vermittlung und Rechenschaft basierenden Bindungsmusters im Namen von Dauer und Ausschließlichkeit. Lässt man einmal moralische, psychologische oder soziologische Wertungen beiseite, wird noch die erotische Grauzone der One-Night-Stands und Seitensprungagenturen zur Interpolation inmitten eines zur öffentlichen Norm gesteigerten Kontroll- und Konventionsdrucks der Askese. Hier alles mit der universalen Warengesellschaft oder mit dem Riss sozialer Ligaturen erklären zu wollen, wäre zu einfach, solange man nicht durch die Entstellung hindurch Artauds »Briser le langage pour toucher la vie« oder Adornos Minima Moralia mitdenkt: »Nur wer es vermöchte, in der blinden somatischen Lust, die keine Intention hat und die letzte stillt, die Utopie zu bestimmen, wäre einer Idee von Wahrheit fähig, die standhielte.«(5) Ähnlich markieren auf der Ebene der Zeichen die Graffiti und ihr Duktus von Kreativität und Zerstörung den Hunger nach Konkretion in einem übervollen und zugleich leeren öffentlichen Raum, in dem der Markt ohne Unterlass die fable convenue vom Profit des Profits als den einzig authentischen Text des Weltgeistes unterschiebt. Gegen die Definitionsautorität dieser Botschaft chiffrieren die Graffiti im gesetzlos privaten Augenblick des »Ich war hier« die Sucht nach öffentlicher Repräsentanz und Selbstreferenz. Und sie decodieren mit ihren Verwischungen und Verwahrlosungen der Grenze von Bild und Schrift – auch sie also eine Semantik des Dazwischen – die linear-kausalen Sinn- und Machtnormen der weltprägenden Text- und Bildkörper. Dass sich aber das multiple Ich nicht nur wie ein Cursor auf dem Hypertext der Informationsgesellschaft verschieben lassen will, sondern im Netz der vorgeordneten und freigegebenen Bahnen Neben- und Seitenwege ausmacht, hat etwas mit der Suche nach der verlorenen Öffentlichkeit eines kollektiv gelebten Gedächtnisses von sozialer und politischer Geschichte zu tun. Das multiple Ich. Erst nachdem das Jahrhundert der Medien die Welt des Öffentlichen und Privaten einem Kreuzfeuer an Zeichen, Reizen und Signalen zu unterziehen begann, war es Freud möglich, jene »Aufsplitterung des Ichs« zu denken, bei der die »Objektidentifizierungen« allzu »zahlreich und überstark und miteinander unverträglich« werden.(6) Doch nicht weil das Ich gesplittet ist, sondern weil es gesplittet ist und sich zugleich unentwegt von einer kalten Öffentlichkeit her diszipliniert findet, dürften es mittlerweile eher masochistische als narzisstische Regungen dominieren: Wer nicht wahrgenommen wird, will nicht mehr wahrnehmen; wer nicht gehört wird, nicht mehr hören, wem keine Zeit gegönnt ist, hat keine Zeit mehr zu verlieren. Und wenn sich dann auch noch Öffentlichkeit als Spiegel, als Podium, als politisches Forum verweigert, wandelt sich die masochistische Energie leicht zu einer Identifikation mit dem Angreifer: zu einer vorschnellen Überantwortung an Normen. Narzissmus wäre demgegenüber die Unbotmäßigkeit des privatisierten Ich, sich gegen den Druck gesellschaftlicher Funktionalisierung zu sperren: in einer eigensinnigen Referenz auf sich selbst. Dass mit dem Aufbrechen des «praktischen Abgrunds» frühindustrieller Nützlichkeit der Narziss-Mythos bei Schlegel stark gemacht wird, bei Valéry und Gide ins Euphorische umschlägt und von Marcuse schließlich als die große Weigerung gegen die Diffamierung des Lustprinzips gesetzt wird, ist kein Zufall. Ist indes die technisierte Fließgeschwindigkeit von Welt und Dingen nicht zu hoch, als dass sich das gleitende Ich noch mit narzisstischer Opulenz und Privatheit in sein Spiegelbild versenken könnte? Und wenn das Ich zersplittert, wo wäre dann noch das libidinöse Objekt für seinen Narzissmus? Anders gefragt: wie und wo wäre es dem Einzelnen noch möglich, im elektronischen Zeichengewitter mehr als flüchtige Spuren zu hinterlassen und einem Leben Gewicht zu geben, das mit dem Schwinden repräsentativer Öffentlichkeit, mit dem Schwinden des Öffentlichen am Öffentlichen also, die Bühne und das Medium seiner Selbstbestätigung und Rückvermittlung verloren hat? AMOK / KOMA Schon 1878 hatte Nietzsche vom Stand unseres »aufgeregten Ephemeren-Daseins« her die hektische Zeit der Moderne und ihre mobilen Lebenstechniken mit einer Figur des Todes grundiert: »Der einzelne Mensch selber durchläuft jetzt zu viele innere und äußere Entwicklungen, als dass er auch nur auf seine eigene Lebenszeit sich dauerhaft und ein für alle Mal einzurichten wagt. Ein ganz moderner Mensch, der sich zum Beispiel ein Haus bauen will, hat dabei das Gefühl, als ob er bei lebendigem Leibe sich in ein Mausoleum vermauern solle.«(7) Vielleicht nährt tatsächlich ein letaler Grund sowohl das Flüchtige wie die Flucht einer Welt der Beweglichkeit. Dass eine durchkommerzialisierte Öffentlichkeit zuinnerst leer und ohne Antlitz ist, bedingt die Leere auch des Privaten. Die Zunahme an Personalisierung und Psychologisierung dürfte ein Symptom für den Verlust an Öffentlichkeit sein: für eine Suche nach Konkretion, um das Leben hier und jetzt und nur einmal in seinem Aufschub erträglicher zu machen. Erzeugt doch das Bewusstsein vom Leben als Frist eine ins Private abgedrängte und im Privaten verdrängte Angst, auf die sich die öffentlichen Sinnstiftungen der Arbeits- und Konsummaschine unablässig aufmodulieren. Das Terrain für die medialen Mythen ebnet am besten die ins abgesondert Individuelle verschobene Bürde des Sinnlosen, der Entfremdung und des Todes. Anders als die virtuellen Verschränkungen und Entgrenzungen des Raums ist die Erfahrung von Zeit schwerer zu hintergehen. In ihrer Unumkehrbarkeit bleibt sie der todverwiesene Index menschlicher Existenz, an den das Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit gebunden ist. Möglicherweise zielt deshalb das elektronische Netzwerk seinem innersten Impuls nach auf eine Überlistung der Zeit, um mit dieser Überlistung zugleich das Wissen um die eigene Hinfälligkeit zu bannen.(8) Die Verschränkung der Zeiten auf den Daten-Highways will die Irreversibilität von Naturzeit überwinden. Und doch hebt sich gerade vor dem elektronischen Reproduktions- und Simulationszauber die Verwundbarkeit der menschlichen Natur umso drastischer ab. Die Präsenz des Körpers bleibt die subjektive Basis in der variablen Raum-Zeit-Geometrie der Virtualität. Der bislang untilgbare Naturgrund von Individuum und Gesellschaft kennt als die gemeinsame Basis von Privatheit und Öffentlichkeit stets noch Schmerz, Angst, Leidenschaft und Trauer. Keineswegs versinkt alles im Taumel der Simulation: virtuelle Welten werden längst noch als Surrogat empfunden. Zudem kommt Virtualität nicht ohne einen Rest von Materialität aus. Das Körperlose verlangt nach dem Körper. Das virtuelle Zerren an der Materialisierung in Raum und Zeit, am Geerdetsein, hat daher eher etwas mit der Gravitation eines absurden Daseins zu tun. Und doch kontrastiert auch hier die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen in den raumüberwindenden Zeitstaus der elektronischen Simultan- und Parallelwelten der gelebten Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen in den privaten Biografien. Reibung und Widerspruch zwischen technischer Kunstzeit und historisch gebrochener Naturzeit lassen die Schwerkraft der Gesellschaft gerade angesichts einer anonymen Öffentlichkeit umso stärker fühlbar werden, grundiert von einer sprachlosen Welt der Kommunikation, der alles kommunizierbar, weil kommerzialisierbar scheint. Wenn im Amoklauf die private und doch bis ins Innerste vergesellschaftete Psyche ins Öffentliche explodiert und Schulen, Universitäten und Einkaufszentren mit der Kälte unterschiedsloser Gewalt durchquert, enthüllen solche Schauplätze des Todes zugleich das Koma der beschleunigten Massengesellschaft: Das Koma ihres Gewinn- und Sensationsamoks, in dem das isolierte und damit asoziale Ich seine soziale Kompetenz bis zur Empathieunfähigkeit einbüßen kann. Dass kürzlich eine junge Frau auf offener und belebter Straße vergewaltigt wurde, geschah in keiner Metropole, sondern in der Öffentlichkeit einer deutschen Kleinstadt. Dass sich Öffentlichkeit im »elektronisch befestigten Schweigen« zersetzt, ist kaum zu bezweifeln.(9) Nur muss man hinzufügen: repräsentative Öffentlichkeit. Öffentlichkeit wird zwar umso namenloser, je mehr ihre repräsentativer Habitus schwindet, sie löst sich jedoch nicht auf. Wie sich Öffentlichkeit in Zukunft manifestieren wird, bleibt offen. Per Dekret jedenfalls kann sie nicht etabliert werden. Jeder stadtplanerisch verordnete öffentliche Raum belegt das. Nicht umsonst zeigt Kafka die Verräumlichung von Macht als eine Depersonalisierung des Raums. Öffentlichkeit muss sich herstellen, produziert werden. Und sei es durch dezentrale Diskurse, deren Gegenöffentlichkeit der institutionalisierten Politik einmal das Politische in Richtung eines plebiszitären sensus communis entziehen könnte. Mag Öffentlichkeit auch offiziell, ja offiziös und demzufolge abstrakt geworden sein, ihre repräsentative Realität wurde stets ein Stück weit privatisiert und normativ ins Innere der Einzelperson verlagert. So wie Max Weber das an der Analyse der rationalen Ethik des asketischen Protestantismus deutlich gemacht hat. Vor allem in der modernen Arbeitsgesellschaft sind Ökonomie und Psyche als eine Art introvertierter Öffentlichkeit des Privaten eng miteinander legiert. Die psychische Legislative des funktionalen Imperativs repräsentiert im Privaten die ökonomische Gesamtcodierung der Gesellschaft. In diesem Sinn existiert Öffentlichkeit paradoxerweise umso mehr, je ungreifbarer sie geworden ist. Vielleicht sind gerade deshalb Sucht und Sehnsucht nach einem Leben jenseits der eingefahrenen Reproduktionsspur des Privaten ungebrochen. Nicht selten erinnern sie trotz ihrer Ohnmacht und Angepasstheit im Freizeitbetrieb einer gefesselten Alltäglichkeit an Joyces Stephen Hero : Wie können sich in einer visuell und akustisch überreizten Welt noch »Epiphanien« ereignen? Säkulare Blitze, die das Ego über die Phänomene entprivatisieren und auf den Fluchtpunkt einer freien Öffentlichkeit hin öffnen? Bis dahin freilich, wenn überhaupt, gilt auch für die Arbeits- und Konsumfron, in welcher Privatheit und Öffentlichkeit zwanghaft konvergieren: »Wer immer in einer Wüste Sahara lebt, der kann ohne Fata Morgana [...] gar nicht existieren.«(10) Anmerkungen ​ 1 Richard Sennett, Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität , Frankfurt/M. 1986, insb. S. 329ff. 2 Heinrich von Kleist am 18. 7. 1801 aus Paris an Karoline von Schlieben, in: Kleist, Briefe 1793-1804 , München 1964, S. 189. 3 Claude Lévi-Strauss, Mythos und Bedeutung , Frankfurt/M.1980, S. 15f. 4 Nikolaus von Kues, De visione Dei , in: Geschichte der Philosophie in Text und Darstellung , Bd. 2 (Mittelalter), Hg, Kurt Flasch, Stuttgart 1982, S. 506ff. 5 Theodor W. Adorno, Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben , Frankfurt/M. 1971, S. 72. 6 Sigmund Freud, Das Ich und das Es , Studienausgabe Bd. 3, Hgg. Alexander Mitscherlich, Angela Richards, James Strachey, Frankfurt/M. 1975, S. 298. 7 Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches , KSA 2, Hgg. Giorgio Colli und Mazzino Montinari, München 1988, S. 43f. 8 Das enge Verhältnis von Tod und Kommunikation thematisiert auch Vilém Flusser, Kommunikologie , Frank- furt/M. 1998, S. 259f. 9 Sennett, Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität , S. 357. 10 Theodor Fontane, Die Poggenpuhls , Stuttgart 1969, S. 30. ​ ​

 Johannes Bauer     Philosophie / Musikästhetik / Malerei                                                                                                                        © Johannes Bauer 2017 - Impressum /  Datenschutz  

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